Ein unmoralisches Angebot
schwarzen Brauen überwölbten kleinen blauen Augen stand ein misstrauischer Ausdruck. Sein Gesicht war hochrot und ließ auf ein cholerisches Wesen schließen. Seine Stimme war laut genug, um die Fensterscheiben zum Klirren zu bringen. Sarah empfand jähes Misstrauen und überlegte, ob er nicht viel Federlesens machen und die Besucher aus dem Haus werfen würde.
Dann breitete sich wunderbarerweise ein überraschend freundliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. Mit ausgestreckten Armen eilte er die Treppe hinunter und auf Sarah zu.
„Sieh an! Wenn das nicht die kleine Cousine Sarah ist! Du meine Güte, Kind! Wie du dich verändert hast! Und was für ein Vergnügen, dich wiederzusehen!“
Er schloss die verdutzte Sarah in die Arme. „Ich habe nicht gedacht, dich hier je wieder zu treffen, meine Liebe. Aber du bist in deinem alten Heim sehr willkommen!“
Die Luft war ihr aus den Lungen gepresst worden. Als er sie losließ, bemühte sie sich um eine geeignete Bemerkung. Nur fünf Minuten vorher hatte sie sich den Kopf darüber zermartert, wie sie ihre Anwesenheit in Blanchland erklären könne. Sie hatte sich vorgestellt, Ralph werde sich bestenfalls sehr abweisend verhalten, schlimmstenfalls arg feindselig sein. Diese Leutseligkeit war ebenso überraschend wie unerwartet. Sarah fing einen belustigten Blick von Lord Renshaw auf und merkte, dass er sich bemühte, nicht in Lachen auszubrechen. Da er begriff, dass sie nicht wusste, was sie sagen solle, ging er mit ausgestreckter Hand auf den Hausherrn zu.
„Wie geht es Ihnen, Sir Ralph? Ich bin Guy Renshaw. Wir sind uns in London begegnet. Das liegt allerdings etliche Jahre zurück. Ich muss mich dafür entschuldigen, dass wir so in Ihr Haus gedrungen sind …“
„Von Eindringen kann nicht die Rede sein, Sir!“ Sir Ralph ergriff Lord Renshaws Hand und schüttelte sie heftig. „Meine Cousine ist hier immer willkommen, und ihre Freunde können nur meine Ehrengäste sein!“ Er hastete zu den Fenstern und fing an, die Vorhänge und Läden zu öffnen.„Das ist besser!“
Sein Blick schweifte über die Anwesenden und erfasste Sir Greville und Lady Fenton, die so verdutzt aussahen, wie Sarah es war.
„Sir Greville Baynham!“ Ralph strahlte. „Erinnere mich, Sie im letzten Jahr im Club in Bath gesehen zu haben! Wie hieß er doch gleich?“
Greville räusperte sich und sah zum ersten Mal unbehaglich aus. „Guten Tag, Sir Ralph. Darf ich Sie mit Lady Amelia Fenton bekannt machen, meiner Verlobten?“
Dieses Mal widersprach sie nicht, sondern begrüßte den Hausherrn. Sie sah ziemlich verwirrt aus. Sir Ralph schenkte ihr ein sonniges Lächeln. „Entzückt, meine Liebe, entzückt! Wäre noch entzückter, wenn Sie in etwas leiserem Ton reden könnten! Mein Kopf ist heute Morgen … Na, Sie wissen schon …“ Er drehte sich zu Sarah um und furchte leicht die Stirn.
„Sarah, meine Liebe! Du bist mir sehr willkommen, wie ich bereits gesagt habe! Es gibt jedoch ein kleines Problem …“ Unglücklich hielt er inne und rieb sich sichtlich verlegen die Hände. Sein ohnehin schon gerötetes Gesicht wurde noch eine Spur roter. Er sah wie ein Schuljunge aus, den man bei einem Vergehen ertappt hatte. „Weißt du … Du bist dir dessen vielleicht nicht bewusst …“, stammelte er. „Ich gebe hier regelmäßig Gesellschaften … meine Nachtschwärmereien, wie ich sie gern nenne …“
„Ich bin mir dessen bewusst.“ Sarah bemühte sich, nicht zu lächeln, während sie überlegte, wie ihr Cousin wohl das heikle Thema zur Sprache bringen würde. Es war schwer, ihn nicht zu mögen, denn er bemühte sich sehr, gefällig zu sein.
„Ah, gut!“ Er sah zufrieden aus. „Gut! Ich habe mir gedacht, dass meine Gesellschaften sich bereits einen Namen gemacht haben! Wie angenehm! Aber …“ Plötzlich schien er sich an das Problem erinnert zu haben. „Ich bin mir jedoch gar nicht sicher, dass sie die richtige Art von Vergnügen für eine wohlerzogene junge Dame sind! Weißt du, es kommen Herren her und Damen von …“ Wieder hielt er inne.
„Damen zweifelhaften Rufs?“, warf Guy hilfreich ein.
„Oh, du meinst Kokotten, Ralph!“, äußerte Sarah munter. „Nun ja, Ralph, ich habe alles über sie gehört!“
Er sah etwas perplex aus. „Hast du das?“ Er erholte sich ein wenig von der Überraschung. „Aber vielleicht ist dir nicht klar … Es gibt Maskeraden und Spiele und eine heidnische Zeremonie zur Feier der Wintersonnenwende …“
„Ich werde dem keine
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