Ein unmoralisches Angebot
Beachtung schenken“, erwiderte Sarah fröhlich und ignorierte Amelias entsetzten Blick sowie Lord Renshaws Belustigung. „Wenn du glücklich bist, mich als Gast zu haben, Ralph, dann danke ich dir für deine Großzügigkeit!“
Wieder furchte er die Stirn. Es war offensichtlich, dass sein Verstand im Moment zu verwirrt war, um das sich ihm bietende Rätsel zu lösen. „Ich finde es höchst eigenartig, dass du dir Blanchlands Ruf bewusst und trotzdem hergekommen bist!“, sagte er schließlich eindeutig verblüfft. „Ich will dich nicht kritisieren, Sarah, meine Liebe, aber ich finde, es gehört sich ganz und gar nicht für eine junge Dame, hier zu sein! Wirklich nicht! Du wirst mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass dein guter Ruf zerstört wird! Ich meine, du solltest ein wenig mehr Besorgnis zeigen!“
„Ich bin überzeugt, dass du recht hast, Ralph! Mama hat immer gesagt, dass ich keinen Anstand habe! Es tut mir unendlich leid, falls ich dich schockiert habe!“
Jetzt war die Reihe an Sir Ralph, nach Worten zu suchen. „Ich erwarte nicht, dass du lange bleibst“, erwiderte er hoffnungsvoll.
„Oh nein!“, stimmte Sarah fröhlich lächelnd zu. „Die Sache ist ganz einfach. Frank hat mich gebeten, in der Nachbarschaft etwas zu erledigen, und ich rechne damit, dass ich gleich danach abreise! Und mach dir keine Sorgen, Ralph, ich könne dich stören! Ich werde so zurückhaltend sein, dass meine Anwesenheit dir kaum auffällt!“
Sarah hörte den Viscount lachen und gleich darauf hüsteln.
„Nun, dann …“ Sir Ralph schien ein wenig in Verlegenheit zu sein. Er war sichtlich unsicher, wie er mit seiner unkonventionellen Verwandten umgehen sollte. „Nun, dann …“, wiederholte er lahm. „Ich nehme an, ihr braucht Zimmer und Erfrischungen …“ Er ließ die Schultern hängen, als sei diese Vorstellung zu viel für ihn. „Ich werde Marvell rufen. Er ist mein Faktotum.“ Ralph blickte zur Uhr. „Falls er schon aus dem Bett ist. Bitte, entschuldigen Sie mich! Keine Art, Damen zu begrüßen … Wenn Sie bitte im Salon warten wollen. Ich werde dafür sorgen, dass man Ihnen Kaffee serviert! Finde mich gleich bei Ihnen ein …“ Er eilte davon und rief dabei brüllend nach den Dienstboten.
„Was für ein seltsamer Mensch!“, sagte Amelia, warf noch einen zweifelnden Blick auf die Statuengruppe und folgte Sarah dann in den Salon. „Dein Cousin scheint jedoch ganz harmlos zu sein! Vielleicht stellen wir fest, dass die Gerüchte von den Orgien in Blanchland stark übertrieben sind!“
Sarah hoffte das inständig, hatte jedoch den vielsagenden Blick bemerkt, den der Viscount und sein Freund getauscht hatten. Dieser Blick hatte mehr als Worte zu verstehen gegeben, dass die Schwierigkeiten erst begannen.
„Es ist ekelhaft!“, sagte Amelia indigniert, ließ sich auf Sarahs Bett fallen und erzeugte dadurch eine riesige Staubwolke.
„Ich weiß, Milly.“ Sarah nieste und wandte die Augen von dem über dem Bett hängenden anzüglichen Gemälde nackter Nymphen ab, die in einem Fluss badeten. „Aber du warst dir bewusst, was dir bevorstehen würde.“
„Oh nein! Ich meinte nicht das Bild! Nein, ich meinte den Staub! Er ist überall! Die Vorhänge sind schmutzig, und mein Zimmer ist bestimmt seit einer Ewigkeit nicht sauber gemacht worden! Ich werde gleich nach dem Essen mit der Haushälterin reden!“
„Ich finde, wir können von Glück reden, wenn wir überhaupt etwas zu essen bekommen“, erwiderte Sarah trocken. „Ich bezweifle, dass die Gäste meines Vetters vor dem Nachmittag aufstehen werden. Ich bin nicht einmal sicher, ob es hier noch eine Haushälterin gibt! Mrs. Lamberts hat jedenfalls nach dem Tod meines Bruders den Dienst quittiert. Ich kann mir vorstellen, dass mein Cousin große Schwierigkeiten hat, Dienstboten im Haus zu halten.“
„Jedenfalls hat er keine guten!“, sagte Amelia und fuhr mit den Fingerspitzen über das staubige Kopfteil des Betts. „Sieh dir das an, Sarah! Ich hätte meinem Personal sehr viel zu sagen, wenn mein Haus in diesem Zustand wäre! Und was den ungenießbaren Kaffee angeht …“
„Trotzdem ist es immer noch ein sehr schönes Haus“, äußerte Sarah ein wenig wehmütig. Sie stand vor dem Fenster und schaute zu den sanft gewellten Hügeln hinüber. Hinter dem Wald erstreckten die Felder sich zum Dorf und weiter darüber hinaus.
„Ja“, sagte Amelia in weicherem Ton. „Es ist tatsächlich ein hübsches Haus. Es ist ein Verbrechen, dass man
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