Ein unmoralisches Angebot
brauchte nur etwas Zeit, um sich darauf vorzubereiten …
Da sie schwieg, schien ein Schatten über sein Gesicht zu fliegen, und er wandte sich ab.
„Da ist natürlich noch die Angelegenheit mit Miss Meredith, die geklärt werden muss“, fuhr er fort. „Vor den Ereignissen des vergangenen Abends hat Lebeter mich gebeten, mit Ihnen über Miss Meredith zu reden. Er ist überzeugt, dass sie in großer Gefahr ist, und beinahe ebenso sicher, dass Sie ihren Aufenthaltsort kennen! Was haben Sie dazu zu sagen?“
Sie kam sich schrecklich unvorbereitet vor. Vor genau dieser Situation hatte sie sich schon am vergangenen Tag gefürchtet. Nun musste sie mit Guy über Olivia reden und wusste nicht, wie sie das Thema in Angriff nehmen sollte.
Höflich wartete er darauf, dass sie sich äußerte, aber der Ausdruck in seinen Augen war kalt.
„Lord Lebeter irrt sich, wenn er denkt, ich würde Miss Merediths Aufenthaltsort kennen“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Ich habe ihn nicht belogen, jedenfalls nicht direkt …“
„Ach, nein? Vielleicht haben Sie sich bei ihm genauso verhalten wie bei mir, als wir darüber redeten?“ Die Verachtung, die plötzlich aus Guys Stimme geklungen hatte, war für Sarah wie ein Peitschenhieb. Sie zuckte zusammen. „Was für ein Talent Sie haben, Miss Sheridan, sparsam mit der Wahrheit umzugehen! Ich sollte Ihnen sagen, dass Lebeter Miss Meredith beim Verlassen dieses Zimmers gesehen hat! Er hat mir gegenüber sogar angedeutet, dass Sie vielleicht daran beteiligt sind, Allardyce die Liebesdienste Ihrer Cousine zu ermöglichen!“
Die absichtliche Beleidigung traf Sarah an einem wunden Punkt. Sie sprang auf und sah wütend den Viscount an. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, darüber nachzudenken, wie es möglich war, dass sie beide aus einer so intimen Stimmung derart schnell in eine feindselige geraten waren.
„Wie können Sie es wagen, Lord Renshaw, so etwas anzudeuten? Ich habe nie etwas Unmoralischeres gehört! Hören Sie, Olivia ist meine Nichte! Abgesehen davon, bin ich kaum …“
Gleichmütig zuckte er mit den Schultern. Sarahs Wut schien ihn nicht zu berühren. „Ich habe das nicht angedeutet. Das ist einfach nur das, was die anderen Gäste sagen! Und sie haben Anlass für diese Annahme. Vielleicht sehen Sie in Miss Meredith einen unwillkommenen Neuzugang zur Familie? Es ist bekannt, dass Verwandte bei solchen Lösungen ein Auge zudrücken!“
„Wenn ich dachte, dass Sie mich schon früher beleidigt haben, dann war das nichts im Vergleich zu dem, was ich jetzt denke!“, erwiderte Sarah mit bebender Stimme. „Sie werden sofort das Zimmer verlassen!“
Guys Antwort bestand darin, aufzustehen, zum Nachttisch zu gehen, den Schlüssel darauf zu werfen, sich auf das Bett zu legen und die Hände unter dem Kopf zu verschränken. Sprachlos vor Wut starrte Sarah ihn an.
„Was fällt Ihnen ein? Sie können nicht hierbleiben!“
„Nein? Sie sehen doch, dass ich bleibe! Schließlich war ich die ganze Nacht hier. Welchen Unterschied machen da ein paar Stunden mehr? Das ist eine sehr bequeme Art, darauf zu warten, dass Sie sich entschließen, mir zu sagen, was ich wissen will. Mir scheint, gestern Nacht habe ich Ihnen einen großen Dienst erwiesen, doch aus Gründen, die nur Sie kennen, weigern Sie sich jetzt, mir mein Vertrauen zu entgelten! Nun, ich kann Sie nicht zwingen, mir von Olivia zu erzählen, aber ich bleibe hier, bis Sie das tun!“
Sarah sah rot. „Der Grund, warum ich Ihnen nicht vertraue, ist, dass ich weiß, dass Sie etwas vor mir verbergen!“, erwiderte sie wütend. „In Woodallan habe ich Sie zu Ihrem Vater sagen gehört … Ich weiß, dass Sie einen Grund haben, weshalb Sie Olivia zuerst finden müssen! Oh, ich kann das nicht ertragen! Wenn Sie nicht gehen, dann gehe ich!“
Sie riss den Schlüssel an sich, aber Guy war schneller. Seine Hand schloss sich um ihr Handgelenk. Er ruckte hart an ihrem Arm. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel neben ihn auf das große Bett.
Ehe sie etwas äußern konnte, hatte er sich auf sie gelegt. Ihr Herz begann zu rasen.
„So“, sagte er leise. „Was glauben Sie, was Sie mir für meine Umsicht gestern Abend schuldig sind? Ihre Provokationen hätten genügt, um die Geduld eines Heiligen auf die Probe zu stellen, aber ich bin ihnen nicht erlegen!“
„Dann heben Sie jetzt nicht den guten Eindruck auf, den Sie dadurch auf mich gemacht haben!“ Erst in diesem Moment begriff Sarah, wie weit sie Guy in der vergangenen
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