Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
sagen? Er führt doch irgendwas im Schilde.«
Stephan schwieg ein paar Sekunden, während er das Auto rückwärts aus der Einfahrt rangierte. »Weil er ein boshafter, machtbesessener, alter Tyrann ist«, sagte er dann.
»Aber das ist doch auch nichts Neues. Guck bitte auf die Straße! Neu ist nur, dass er offenbar etwas von seinem Geld rausrücken will. Und wenn du mich fragst: Ich würde es sofort annehmen. Da hätte ich keinerlei Skrupel!«
»Ja, meinst du etwa, ich hätte Skrupel?«, rief Stephanund bremste haarscharf vor einer roten Ampel. »Wenn er sich auf seine alten Tage endlich einmal großzügig zeigen würde, wäre ich der Letzte, der ihn daran hindern würde, das kannst du mir wirklich glauben. Ich bin durchaus der Ansicht, dass ein Vater seinen Söhnen etwas von seinem Reichtum abgeben darf! Aber dieser Mann hat noch nie in seinem Leben etwas hergegeben, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.«
Meine Neugierde erreichte ihren vorübergehenden Höhepunkt. »Was verlangt er denn für eine Gegenleistung?«, fragte ich atemlos, während meine Fantasie mit mir durchzugehen begann.
»Glaub mir, das willst du gar nicht wissen«, sagte Stephan.
»Natürlich will ich das wissen«, rief ich. Und wie ich es wissen wollte.
Aber Stephan seufzte nur und schwieg nervtötenderweise. Erst an der nächsten Ampel (ich hatte alldieweil meine Unterlippe fast blutig gebissen) sagte er: »Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Was würden wir für Geld alles tun? Wie weit würden wir gehen?«
»Es kommt wohl drauf an, von wie viel Geld wir hier reden«, sagte ich. »Übrigens ist die Ampel grün!«
Stephan ließ beim Anfahren die Reifen quietschen. »Genug, um die Schulden zu tilgen, das Haus zu renovieren und vielleicht noch einige wichtige Neuanschaffungen zu tätigen«, sagte er, und es klang ein bisschen sehnsüchtig.
»Oh«, machte ich. »Na gut, also
dafür
würde ich so gut wie alles tun.«
Stephan warf mir einen schwer zu deutenden Seitenblick zu. War es Entsetzen? Verachtung? Anerkennung? Ich wusste es nicht.
»Was heißt das, fast alles?«, fragte er.
»Wir befinden uns doch hier mitten in einer
theoretischen
Überlegung, oder?«
Stephan nickte.
»Also gut«, sagte ich mit einem gewissen Eifer, wie jemand, der sich schon öfter Gedanken über dieses Thema gemacht hat. Mal ehrlich, das tat doch wohl jeder, oder? »Eine Niere würde ich vielleicht spenden, allerdings nur an jemanden, der auch eine braucht, nicht bloß just for fun. Aber einen Arm würde ich zum Beispiel nicht hergeben. Auch keinen Finger, wenn ich es mir recht überlege. Kein Körperteil, das man sehen kann. Und natürlich keins, das man selber braucht. Ich würde auch niemanden umbringen, nicht mal Eberhard, das wäre mir einfach zu riskant, vom moralischen Standpunkt mal abgesehen. Ich meine, was nutzt mir das ganze Geld, wenn ich lebenslänglich im Knast sitze?« Ich unterbrach mich. »Würdest
du
für Geld einen Mord begehen?«
»Nur an meinem Vater«, sagte Stephan.
»Das würde natürlich eine Menge Probleme lösen«, sagte ich. »Eigentlich alle, wenn ich’s mir recht überlege.«
»Das war ein Scherz, Olivia!«, fauchte Stephan mich an. Es schlug ihm immer sehr auf die Stimmung, wenn ich nicht über seine Witze lachte.
»Von mir doch auch«, sagte ich. »Du weißt genau, dass ich deinen Vater im Grunde sehr gern mag. Äh, einigermaßen gern jedenfalls.« Die Lüge lag mir schwer auf der Zunge. Deshalb setzte ich nach einem kurzen Augenblick hinzu: »Äh, jedenfalls finde ich ihn nicht so schrecklich, dass ich ihn umbringen würde.«
»Aber sonst würdest du alles tun, um an sein Geld zu kommen?« Ein durchbohrender Blick traf mich.
»Wieso ich? Er hat doch dich nach nebenan geholt.«
»Ja, aber wer sagt denn, dass wir dort nicht auch über dich geredet haben?«
Über
mich
? Natürlich fiel mir auf der Stelle wieder ein, was Fritz über meinen Busen gesagt hatte, damals auf der Hochzeit, als er so viel Champagner getrunken hatte. Brennholz, eins a gestapelt und so weiter.
Ich fühlte, wie mir der Unterkiefer herabfiel. »
Was
? So wie in
Ein unmoralisches Angebot
?« Eine Zehntelsekunde dachte ich nach, dann aber schüttelte ich den Kopf. »Nein, nein, vergiss es: Fritz ist ja nun wirklich nicht Robert Redford.«
»Und du bist nicht Demi Moore,
Molli-Olli
«, sagte Stephan und schüttelte ebenfalls den Kopf. »Aber gut zu wissen, dass du’s dir bei Robert Redford überlegen würdest!« Das Auto machte einen
Weitere Kostenlose Bücher