Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
Hanna im Haus, die eine dreijährige Tochter hatte, die sich mit Elisabeths Sohn Kaspar sehr gut verstand. Die Tochter hörte auf den melodischen Namen Marisibill. (»Versuch das mal auszusprechen, wenn du zu viel getrunken hast«, sagte Elisabeth stets mit leisem Vorwurf in der Stimme.) Welche Umstände dazu geführthatten, dass auch Hanna allein erziehend war und ob dabei ebenfalls ein Frettchen eine Rolle gespielt hatte, wusste ich nicht. Auf jeden Fall kam mir das Zusammenleben der beiden Frauen mit ihren Kindern immer sehr harmonisch vor, auch wenn Elisabeth sagte, sie litte unter schrecklicher Torschlusspanik und der Angst, dass aus Hanna und ihr übergangslos zwei schrullige alte Damen würden, die sich irgendwann gegenseitig Arsen in den Tee kippten.
Obwohl es noch so früh am Morgen war, rührte Elisabeth uns Marillenlikör in den Kaffee.
»Man muss die Feste feiern, wie sie fallen«, sagte sie fröhlich. Kaspar war mit Hanna und Marisibill über den Feiertag zu ihrer Mutter gefahren war, die gleich neben dem Zoo wohnte. Weil die Sonne wieder schien, saßen wir im Pullover in Elisabeths so genanntem Garten und tranken erst den Kaffee und dann den Marillenlikör pur, das aber erst, nachdem Elisabeth erfahren hatte, warum ich gekommen war. Elisabeths Katze Hummel hatte sich auf meinem Schoß zusammengerollt. Katzen lieben mich, obwohl oder vielleicht auch weil ich eine Allergie gegen Katzenhaare habe. Aber an tränende Augen und Niesen kann man sich gewöhnen. Ich musste dafür nicht mal einen Satz unterbrechen.
Wie jedes Mal, wenn ich zu Besuch war, sah ich mich zunächst seufzend um und sagte: »Es ist eine Schande, wie – hatschi! – wenig du aus diesem Grundstück machst.«
»Ich weiß«, sagte Elisabeth. »Aber wir haben dazu weder Zeit noch Geld, das weißt du doch.«
Womit wir auch schon beim Thema waren.
»Ja, das liebe Geld«, sagte ich, nieste kurz und nahmeinen großen Schluck Kaffee. »Angenommen, jemand würde dir eine Million bieten, was würdest du dafür tun?«
»Unanständig viel«, sagte Elisabeth prompt. »Sogar mit meinem Chef schlafen.«
»Elisabeth, du hast eine Chef
in
«, erinnerte ich sie.
»Ich weiß«, sagte Elisabeth. »Aber für eine Million würde ich darüber hinwegsehen.«
Ich war erleichtert. Eigentlich hatte ich ja befürchtet, Elisabeth könnte den Moralapostel herauskehren und dafür sorgen, dass ich mich ganz mies fühlte.
»Würdest du auch – hatschi – deinen Mann gegen seinen Bruder tauschen?«, fragte ich. »Vorausgesetzt, du hättest einen – diesmal musste ich gleich dreimal nießen – Mann, und der hätte einen Bruder.«
»Sicher«, sagte Elisabeth. »Früher oder später hätte ich
jeden
Mann gegen seinen Bruder getauscht, auch ohne einen Cent dafür zu bekommen.«
»Ja, aber angenommen, du wärst wirklich heftig in deinen Mann verliebt«, sagte ich. »Und angenommen, die Frau des Bruders wäre genau sein Typ. Sieht aus wie Jennifer Aniston. Und ist auch noch diplomierte Betriebswirtin, genau wie er. Hättest du da nicht Bedenken, die – hatschi – beiden allein zu lassen.«
Jetzt kam Elisabeth nicht mehr mit. »Es ist noch sehr früh für derartig, äh, philosophische Überlegungen, meinst du nicht? Warum guckst du so komisch, Olivia? Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Du siehst aus, als ob du gleich anfingest zu weinen.«
»Das ist nur die Allergie«, log ich. Ich war wirklich kurz davor, in Tränen auszubrechen.
Elisabeth kannte mich viel zu gut. Sie legte mir dieHand auf die Schulter. »Jetzt sag schon«, forderte sie mich freundlich auf.
Da erzählte ich ihr alles. Von Fritz und seinen alten Säcken, vom vielen Geld und welche Sorgen man damit los wäre, von Privatdetektiven und angezapften Telefonleitungen. Zuerst glaubte Elisabeth mir nicht, sondern meinte, ich habe den ersten Mai mit dem ersten April verwechselt. Aber allmählich dämmerte ihr, dass ich die Wahrheit sagte. (Ab diesem Zeitpunkt tranken wir dann den Marillenlikör pur.)
»So ein verrückter alter Knacker«, sagte sie, nicht ohne eine gewisse Bewunderung in der Stimme. »Wie reich der Mann sein muss.«
Ich nickte. »Er hat immer gut verdient, selber geerbt und ein Händchen für kluge Investitionen gehabt. Hatschi.«
»Ich finde, es ist eine originelle Art und Weise, sein Erbe zu verteilen«, sagte Elisabeth. »Jetzt schmeiß doch endlich die Katze von deinem Schoß, deine Nieserei ist ja nicht mehr auszuhalten.«
Aber die Katze krallte sich an meinen Hosenbeinen
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