Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
gestern Abend! Übrigens, von ihrer Gartenshow bin ich auch ganz begeistert. Ich habe das Konzept schon so oft kopiert und im Haus herumgeschickt!«
»Danke«, sagte Oliver bescheiden.
»Wissen Sie, ich habe nämlich selber einen Garten, der eine Veränderung sehr nötig hätte«, sagte die Sekretärin und strahlte. »Was kann ich denn heute für Sie proklamieren?«
»Wir haben einen Termin mit Herrn Dürr, um elf. Wegen der Gartenshow.«
»Oh – das tut mir aber Leid. Herr Dürr ist nicht in seinem Office.« Die Sekretärin öffnete den Terminplaner, der vor ihr auf dem Tisch lag. »Wann hatten Sie das denn mit ihm verifiziert?«
Ich schaute ein bisschen verwirrt, aber Oliver schien sie verstanden zu haben.
»Letzte Woche schon.«
Die Sekretärin schüttelte mitfühlend den Kopf. »Es tut mir so Leid, aber Sie sind nicht der Erste, dem so was passiert. Er ist ja ein wirkliches Genie, eine Koniphere auf seinem Gebiet. Aber es ist nie klug, die Termine mit ihm persönlich zu machen. Er vergisst meistens, sie an mich weiterzugeben, und was nicht im Terminkalender steht, gilt auch nicht. War es denn etwas Wichtiges?«
»Natürlich«, sagte ich. Diese »Koniphere« von einem Programmdirektor schien mir ein äußerst windiges Gewächs zu sein. Erst verschob er den Termin ständig, und dann vergaß er ihn auch noch.
Oliver guckte nur unglücklich.
»Hm«, machte die Sekretärin. »Weil Sie’s sind, gebe ich Ihnen einen guten Tipp: Der Chef ist den ganzen Nachmittag in Studio drei bei einer Aufzeichung. Da haben Sie zwischendurch reichlich Gelegenheit zu Ihrem Gespräch.«
»Vielen Dank«, sagte Oliver. »Ich überleg’s mir.«
»Was gibt’s denn da zu überlegen?«, fragte ich draußen auf dem Gang. »Das war doch ein wirklich guter Tipp. Und wenn die Koniphere schon nicht zum Gärtner kommt, muss der Gärtner eben zur Koniphere kommen.«
Oliver musste lachen. »Also gut. Auf diese Weise siehst du wenigstens mal ein Studio von innen.«
Bis wir allerdings dort waren, verfluchte ich die Schuhe mit Absätzen, die ich zur Feier des Tages angezogen hatte. Das Gelände schien sich ins Unendliche zu erstrecken.
»Ich dachte, ihr seid nur ein kleiner Sender«, sagte ich missmutig.
»So klein nun auch wieder nicht«, sagte Oliver.
Studio drei lag in einer hässlichen, flach gestreckten Halle, und wir irrten dort eine ganze Weile zwischen Glaskästen, Kulissen, Kabeln, Tribünen und Unmengen von Menschen herum. Oliver schien die meisten davon zu kennen. Er grüßte nach links und rechts und erläuterte mir die dazugehörige Berufsbezeichnung.
»Kameramann, Kabelträger, Kulissenschieber, Aufnahmeleiterin, Redakteurin, Tontechniker, Beleuchter, Regisseur, Zuschauer, Regieassistent« – alle winkten und grüßten sie freundlich, nur der Programmdirektor war nirgends zu sehen.
Ich warf einen sehnsüchtigen Blick auf die flauschige, rot gepolsterte Sitzecke, die auf der Bühne stand, umgeben von Pappkulissen mit beleuchteten Hochhaussilhouetten.
Sich setzen und das Treiben hier gemütlich zu beobachten, wäre bei weitem angenehmer, als hier hektisch rumzurennen.
»Er muss doch hier irgendwo sein«, sagte Oliver. Aber die allesamt in viel zu kurzen und zu engen karierten Hemden gekleideten, kettenrauchenden Männer, die um fünf riesige Kameras herumstanden, hatten den Programmdirektor auch nicht gesehen.
Oliver sah frustriert aus.
Ein blonder Mann mit abstehenden Ohren kam aus der Kulisse. Er hätte trotz der Ohren gut ausgesehen, wenn er nicht so stark mit bräunlichem Make-up zugekleistert gewesen wäre.
Er kam mir sehr bekannt vor.
Oliver kannte ihn anscheinend auch. »Hallo, Jo.«
Jo, Jo – kannte ich einen Jo? Joachim? Johannes? Josef?
»Hallo – Stress, Stress, Stress!«, stöhnte der Zugekleisterte. »In einer Stunde beginnt die Aufzeichung, Chaos, Chaos, Chaos. Völlig neues Talk-Konzept, neues Studio, neues Team, und wir haben noch keinen einzigen Probedurchgang gemacht. Was machst du hier? Auch zugucken?«
»Ich bin auf der Suche nach Dürr«, sagte Oliver. »Wir hatten einen Termin.«
»Dürr muss hier irgendwo herumschwirren«, sagte der Zugekleisterte. »Er wollte natürlich dabei sein, ist ein wichtiger Tag für meine Show. Da hat er alle anderen Termine für sausen lassen. Wir hätten allerdings schon vor Stunden anfangen sollen.«
»Also wirklich!«, sagte ich vorwurfsvoll. Dieser Programmdirektor schien mir ein äußerst unzuverlässiger Zeitgenosse zu sein.
Der Zugekleisterte
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