Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
sah mich an wie ein Ufo. »Um wie viel Uhr?«
»Um … – ist doch egal – wo warst du?«
»Im ganzen Haus hat es nach Farbe gestunken, da musste ich einfach raus.«
»Und wohin?«
»Olli, was soll denn das? Es war kochend heiß gestern Nacht, ich brauchte einfach frische Luft.«
»Und wo warst du?«
Stephan schüttelte den Kopf. »Du bist ein bisschen krank, weißt du das?«
»Im Büro warst du jedenfalls nicht. Da hab ich angerufen.«
»Doch, ich war hier«, sagte Stephan. »Ich bin nur nicht ans Telefon gegangen. Aber wenn ich gewusst hätte, dass du es bist …«
»Wer hätte es denn sonst sein sollen?«, fragte ich gereizt.
»Vielleicht jemand, der nach achtzehn Uhr noch hier anrufen darf«, sagte Stephan scharf. »Ohne deshalb eine Million Euro zu verspielen. Bist du eigentlich verrückt, so spät noch hinter mir her zu telefonieren? Du weißt doch, dass die alten Säcke ihre Augen und Ohren überall haben. Es geht hier ja schließlich nicht nur um dich, sondern um uns alle!«
Jetzt hatte er es irgendwie geschafft, den Spieß umzudrehen. Ich fühlte mich mies. Ja, ich hätte nicht anrufen dürfen.
»Ich hatte solche Sehnsucht«, sagte ich kläglich, was ja nur halb gelogen war.
Stephans Gesicht wurde ein wenig weicher. »Ach, Pummelchen, du hast es doch selbst so gewollt. Jetzt musst du auch durchhalten. Noch vier Monate, und wir haben es geschafft.«
»Ja«, seufzte ich.
»Wir werden ein völlig neues Leben beginnen«, sagte Stephan. »Du und ich – wir machen einen ganz neuen Anfang.«
»Ja«, sagte ich unsicher. Was meinte er damit? Ganz neu wollte ich gar nicht anfangen. Ein bisschen neu, ja, das war in Ordnung. Aber Stephan hatte neulich schon so komisch dahergeredet.
Mein Blick fiel auf den Bildschirm. Jetzt war dort ein Bildschirmschoner aktiviert, Cyberfische, die munter hin und her schwammen.
»Warum suchst du einen neuen Job?«, fragte ich.
»Einen Job überhaupt, meinst du wohl«, sagte Stephan. »Nein, ich suche noch nicht. Ich checke nur schon mal meine Chancen.«
»Aber warum?«
»Olli-Molli, ich habe dir das doch neulich schon versucht zu erklären: Dieser Laden hier ist so gut wie tot.«
»Ist er nicht«, sagte ich heftig. »Wenn Oliver erst seine Gartenshow hat, dann werden wir die berühmteste Gärtnerei in ganz Deutschland. Wir können dann sogar einen Versandhandel aufmachen.«
»Ach, Olli«, sagte Stephan. »Du bist so naiv! Es geht das Gerücht um, dass der Baumarkt im nächsten Frühjahr eine Gartenabteilung eröffnet. Und wenn das wahr ist, kommt hier kein Schwein mehr hin. Es ist dumm, an etwas festhalten zu wollen, das zum Scheitern verurteilt ist. Geht das nicht in deine Birne rein?«
»Selbst wenn die eine Gartenabteilung eröffnen, macht das fast gar nichts«, sagte ich. »Du weißt doch, wie das in diesen Baumärkten ist: Schlechte Qualität, keine Beratung, dazu ein paar billige Terracotten – ist doch gar nicht unser Klientel, das dort einkauft.«
Stephan starrte mich unwillig an. »Du willst es wohl einfach nicht einsehen, was?«
»Nein«, sagte ich. Ich wollte es einfach nicht einsehen. »Oliver und ich sind übermorgen beim Sender«, sagte ich. »Ich soll mitkommen, um alle Fachfragen zu beantworten, die möglicherweise auftreten können. Das sind ja alles blutige Laien, die haben keine Ahnung, was man in zwei Tagen denn nun wirklich auf die Beine stellen kann. Und wenn wir den Programmdirektor überzeugen können, dann soll noch in diesem Herbst ein Pilotfilm gedreht werden. Ist das nicht irre? Vielleicht bekomme ich sogar ein Beraterhonorar.«
Aber Stephan beeindruckte das alles nicht weiter. »Ich wünschte, du hättest mehr Verstand«, sagte er nur.
»Und ich dachte, du stehst auf Dummchen«, sagteEvelyn. Sie war lautlos in der Tür erschienen, ein Traum von einer Frau in einem schneeweißen Sommerkleidchen und Riemchensandaletten.
»Kannst du nicht anklopfen?«, fragte Stephan ziemlich unwirsch.
»Das ist wohl mehr eine Frage des Wollens als des Könnens«, sagte Evelyn.
»Das ist wohl mehr eine Frage der Höflichkeit«, erwiderte Stephan.
Ich sah von einem zum anderen. Was war denn los mit denen? Hatten sie sich etwa gestritten?
»Ich wollte dir was zeigen«, sagte Evelyn zu mir.
»Ich warne dich, Evelyn«, sagte Stephan und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
»Wovor?«, fragte ich. »Was soll Evelyn mir nicht zeigen?«
»Die Küche«, sagte Evelyn und lächelte maliziös. »Keine Sorge, Stephan, die zeige ich erst, wenn sie
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