Ein unsittliches Angebot (German Edition)
Namen aufschreiben.« Ihr Puls schlug unregelmäßig, wie er es beinahe seit dem Moment getan hatte, in dem sie Mr Keenes Brief gelesen hatte. So sei es. Wenn sie ihren Körper nicht zur Ordnung rufen konnte, dann würde sie eben auf seinem Ungehorsam reiten wie auf einem trabenden Pferd.
Was hatte eine Krise doch für eine wunderbar klärende Wirkung. Man wusste, was zu tun war – die Dienstbotinnen vor Mr James Russell beschützen –, und jede noch so kleine Tat oder Entscheidung kam ihr wie von selbst. »Seien Sie versichert, dass Sie ihm keinen Gehorsam schulden.« Sie fuhr im Gehen herum und blickte die Tafel hinab. »Wenn er sich irgendwelche Vertraulichkeiten mit Ihnen erlauben sollte, antworten Sie ihm so energisch, wie Sie möchten, und dann informieren Sie mich unverzüglich.«
Sheridan rutschte auf ihrem Stuhl nach vorn, ihre Augen leuchteten bei der Vorstellung. »Dürfen wir ihn auch schlagen?«
Irgendjemand sollte das auf jeden Fall tun. Sie ging wieder auf und ab. »Diese Entscheidung überlasse ich Ihnen. Aber achten Sie auf Ihre eigene Sicherheit.«
»Solche Männer geben einem nicht die Gelegenheit, sie zu schlagen«, sagte ein ernstes Dienstmädchen. »Sie halten einen zuallererst an den Armen fest.«
»Dann müssen Sie einen Diener rufen.« Sie legte die Hände flach auf das Leinentischtuch und nickte Mrs Kearney zu, die am anderen Ende der Tafel saß. »Würden Sie bitte Mr Lawrence von der Sache in Kenntnis setzen, damit er die Diener anweisen kann?« Jetzt würden die männlichen Dienstboten auch davon erfahren. Das ganze Haus würde sich gegen die Bedrohung verschwören.
»Ich würde nur gern wissen, wie ich es verhindern kann, dass er mich überhaupt festhält.« Sheridan blickte bedrückt auf das Stück Tischtuch zwischen Marthas Händen. »Wenn wir lernen könnten, wo man einen Mann am besten schlägt oder stößt, um ihn unschädlich zu machen … wenn wir jemanden hätten, der sich aufs Boxen versteht, zum Beispiel, dann könnte er uns einweisen …«
»Das haben wir aber nicht, also müssen wir mit den Mitteln auskommen, die wir haben.« Knapp überging sie, was für Unfug Sheridan auch immer hatte andeuten wollen, und das Mädchen lehnte sich zurück, die leicht hervorstehende Unterlippe das einzige Zeichen des Widerspruchs.
Irgendwie hatte Sheridan gemerkt, dass es böse geendet hatte. Obwohl Martha behauptete, die Abmachung habe ihren Zweck erfüllt und sei nun beendet, erwischte sie Sheridan immer wieder dabei, wie sie sie mitleidig ansah, während sie sie anzog oder frisierte. Und bisweilen machte sie wenig subtile Andeutungen, kaum verhohlene Winke, dass sie etwas tun könnte, um den Bruch zu kitten. Als ob sie oder Mr Mirkwood das jetzt noch wollten.
Sie hatte ihn verletzt. Natürlich. Er hatte ihr sein Herz zu Füßen gelegt, und sie hatte es abgelehnt wie eine zweite Portion Rüben. Welcher Mann würde das mit Gleichmut ertragen?
Doch er war nicht der Einzige, der enttäuscht war. Sie hatte sich ihm von ihrer besten Seite gezeigt – von der, die fähig war, sich für einen guten Zweck aufzuopfern – und gesehen, dass er sie nicht wertschätzte. Sie spürte den stechenden Schmerz der Enttäuschung, sooft sie es sich gestattete, daran zu denken. Wie konnte er behaupten, sie zu lieben, wenn er das nicht liebte, was ihr Wesen ausmachte?
Nicht, dass es von Bedeutung gewesen wäre. Da eine Heirat außer Frage stand, musste Liebe ohne Bedeutung sein. »Wir fangen morgen mit den Riegeln an.« Sie achtete wieder auf ihre Haltung und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Wenn Sie noch andere Ideen haben, wie wir diesen Haushalt vorbereiten können, will ich sie gern hören.«
»Ich habe gehört, dass wir Mrs Russell vielleicht verlieren werden. Wussten Sie davon?« Granville streute die Bemerkung ein, während er die verschiedenen Molkereigerätschaften durchging, die in einem der Nebengebäude von Pencarragh aufbewahrt wurden.
Eine Woche war es her, seit er zuletzt mit ihr gesprochen hatte, und als würde sie ihn nicht schon oft genug in seinen Träumen heimsuchen, musste sie jetzt auch noch hier eindringen. »Gab es Schwierigkeiten mit dem Testament?« Theo stupste eine Käsepresse an. Die Käseherstellung hatte einen Großteil ihres Reizes verloren. Das mit dem Kälbermagen hatte er erst kürzlich gelesen. Arme, unschuldige, todgeweihte Kälber.
»Es hat sich herausgestellt, dass der Besitz Mr Russells Bruder zufallen könnte. In dem Fall stünde ihr laut dem
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