Ein unsittliches Angebot (German Edition)
wie es sich herausstellte, der Junggeselle Mr Barrow war. Theo schüttelte raue, schwielige Hände; Mr Barrows waren zudem ein wenig verkrümmt. Lange würde er nicht mehr arbeiten können.
Eine minutenlange landwirtschaftliche Diskussion folgte. Etwas über zukünftige Zölle und deren hoffentlich positive Auswirkungen auf den heimischen Getreidemarkt. Wieder Bemerkungen über das Wetter. Nichts Besonderes. Theo stand etwas abseits, wie es sich für den Sohn des Grundherrn gehörte, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und den Kopf erhoben, bis es Zeit war, sich zu verabschieden. Verbeugungen wurden ausgetauscht und Hüte wieder aufgesetzt. »Die kleineren Familien mit älteren Söhnen haben es besser«, sagte er zu Granville. »Zwei oder mehr Einkommen und weniger Mäuler zu stopfen.«
»Ja, die Familienkonstellation macht einen großen Unterschied, nicht wahr? Es ist bedauerlich, dass die Weavers keine erwachsenen Söhne haben.« Sie gingen einen Weg an einem Weidezaun entlang, und von Zeit zu Zeit klopfte Granville ihn ab, vermutlich um die Festigkeit der Verbindungsstellen zu prüfen.
»Hat Mr Barrow gar keine Verwandten? Auch keine Nichten oder Neffen, meine ich?«
»Nein.« Granvilles abgezehrtes Gesicht verdüsterte sich zusehends, wie Theo auffiel. »Er hat Schwestern, soviel weiß ich, doch sie haben vor langer Zeit geheiratet und sind irgendwo in den Norden gezogen.«
»Dann interessiert sich niemand für ihn?«
»Er ist leider kein Einzelfall. Da sieht man mal, wie wichtig es ist, zu heiraten. Nicht für einen Mann mit einem eigenen Vermögen, natürlich – Sie können für sich selbst sorgen und später andere dafür bezahlen, wenn das Ihr Wunsch ist.«
Das waren düstere Aussichten. Er musste unbedingt ernsthaft darüber nachdenken, zu heiraten, in fünf oder zehn Jahren vielleicht, und sich in der Zwischenzeit mit den Kindern seiner Schwester gut stellen. »Aber für Mr Barrow«, sagte er, »wird in nicht allzu ferner Zukunft der Tag kommen, an dem er keinen Lohn mehr verdienen kann.«
»Ja, und danach der Tag, an dem er keinen Haushalt mehr führen kann, und dann der, an dem er sich nicht mehr selbst versorgen kann.« Granville hielt an. Er hatte eine Stelle gefunden, an der der Zaun nicht das richtige Geräusch machte. Er klopfte abermals, zückte dann einen Bleistift und machte einen Vermerk auf einem gefalteten Stück Papier. Theo wartete. »Was passiert dann mit so jemandem?«, fragte er, als der Verwalter fertig war.
Der schüttelte, ohne aufzublicken, den Kopf. »Wenn ein Mann dieses Alter erreicht und keine Verwandten hat, kommt er mit größter Wahrscheinlichkeit ins Armenhaus.«
»Armenhaus.« Mehr als dieses eine Wort brachte Theo nicht heraus.
»Es gibt eins in Cuckfield, ein Stück nordwestlich von hier.« Ein kurzes Schweigen folgte, bevor Granville wieder das Wort ergriff. »Es ist vermutlich das bitterste Ende, das man sich für einen Mann vorstellen kann, der sich sein Leben lang selbst versorgt und niemals Schulden gemacht hat.« Er steckte den Bleistift weg und ging weiter.
Was konnte man dem noch hinzufügen? Gar nichts. Die Sonne schien bereits heiß durch die windstille Sommerluft, und als sie das Haus erreicht hatten, fühlte sich Theo, als sei er Dutzende von Meilen mit einer schweren Last auf den Schultern gewandert – vielleicht mit dem Schwein der Weavers. Dem Schicksal sei Dank, dass er noch die Verabredung mit der Witwe hatte, auf die er sich freuen konnte. Ein Mann mit Verantwortung brauchte einen Ort, an den er vor ihr fliehen konnte.
Er kam pünktlich um halb an und trat, ohne zu klopfen, ein, so als wäre es sein Haus. »Sie haben den Weg gefunden«, sagte Martha von ihrem Sessel aus.
»Wie könnte ich nicht, wo doch hier eine Frau auf mich wartet!« Selbstgefällig grinsend zog er die Tür zu. »Es ist in der Tat äußerst praktisch: Der Pfad durch das kleine Wäldchen zwischen unseren Anwesen endet nur ein paar Schritte vor Ihrem Seiteneingang. Sehr diskret.« Während er sprach, sah er sich blinzelnd im Halbdunkel um. Die Diskretion erlaubte nur einen winzigen Spalt zwischen den Vorhängen.
Ob ihm das Mobiliar zusagen würde, hatte sie gar nicht bedacht, als sie diese Räume ausgewählt hatte, doch sie fand, es harmonierte sehr gut mit ihm, jetzt, wo sie darüber nachdachte. Das Wohnzimmer war größer als das ihre; es hatte einen großen Marmorkamin und war ganz in Blau- und Grautönen gehalten. Ein grau-blauer Teppich, blau getäfelte Wände,
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