Ein unsittliches Angebot (German Edition)
können. Wann immer er wollte. Ein Mann, der ein Fremder für seine Frau geworden war, hatte dennoch das Recht. Eine Frau hatte kein Recht, sich zu weigern.
Es hätte schlimmer kommen können. Er hat dich nicht geschlagen. Er war nicht grausam. Diese strenge Selbstmaßregelung hatte einfach nie den stärkenden Effekt, den man sich gewünscht hätte. Ihre Augen blinzelten mit abscheulicher Geschwindigkeit; glücklicherweise wurde ihr Versuch, ihre Verletzlichkeit bloßzustellen, von der Dunkelheit vereitelt. Sie holte tief Luft und krallte die Fingernägel in die Handflächen.
»Martha.« Seine Fürsorglichkeitströmte über das Kissen hinweg zu ihr herüber wie ein warmes, lebensfrohes Bad, das sie einlud, zu bleiben.
»Mr Mirkwood.« Sie ließ die Worte wirken wie eine ausgestreckte Hand in einer Geste der Abwehr. »Ihre Freundlichkeit und Anteilnahme ehren Sie, da bin ich mir sicher. Aber ich habe alles gesagt, was ich zu diesem Thema sagen möchte. Ich schlage vor, dass wir jetzt schlafen.«
Die Luft war voller Bewegung. Zielsicher kam seine Hand durch die Dunkelheit und legte sich an ihren Kopf, die Handfläche an ihrem Ohr, die Finger in ihrem Haar vergraben. Nur einen Augenblick lang blieb sie da, nur gerade lange genug, um sie zu halten, während er seine Lippen auf ihre Stirn legte. »Dann gute Nacht.« Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Haaransatz. Er legte sich zurück und hatte nichts mehr zu sagen, und sie lauschte seinen Atemzügen, während sie länger wurden und sich in ein leises Schnarchen verwandelten.
Irgendwann in der Nacht drehte sie sich um und stieß mit einem Teil von ihm zusammen. Sofort schlängelte sich sein Arm zu ihr hinüber und zog sie an sich, so als sei das der Platz im Bett, wo sie hingehörte und von dem sie sich nur versehentlich im Schlaf entfernt hatte. Sie hielt den Atem an und wartete ab, was als Nächstes passieren würde, doch nichts geschah. Sein Arm hatte eigenmächtig gehandelt, vielleicht hatte er sich diesen Reflex in zahllosen Nächten mit einer Frau in greifbarer Nähe angewöhnt. Oder vielleicht deckte sich ihre Anwesenheit an seiner Seite zufällig mit einem Traum von irgendeiner anderen Geliebten.
Das ging sie nichts an. Er durfte träumen, was immer er mochte. Nur wäre sie lieber nicht wie ein Ersatz mit hineingezogen und an so vielen Stellen von seinem Körper umschlungen worden. Seine Beine mit ihren verheddert. Sein Arm über ihrem Schlüsselbein. Die Kuhle zwischen seinem Kinn und Hals in genau der richtigen Größe für ihren Kopf. Durch ihre Kopfhaut und durch ihre Schulter, die auf seiner Brust lag, spürte sie seinen Puls. Und seinen Atem: das leise Heben und Senken seines Brustkorbs, den langsamen, schwachen Luftzug irgendwo über ihrem Kopf. Bestimmt würde er sich gleich umdrehen und sie freilassen, doch vorläufig war sie in ihm gefangen und konnte nichts tun, als sich ihrer misslichen Lage bewusst zu sein.
Wenn man einen Mann liebte, wünschte man sich das vermutlich. Welch ein seltsamer Gedanke. Man würde sich wünschen, von seinem Arm festgehalten zu werden. In der Kuhle zu liegen, die sein Körper für ihren machte. Das leise Lied zu hören, gedämpft und rhythmisch, das sein Puls und sein Atem für sie sangen, damit sie einschlafen konnte.
Doch welche Dame würde so schlafen können, auf allen Seiten von so viel Mann umgeben? Sie spürte das Anhängsel an ihrer Hüfte schlummern. Ihr Atem und seiner waren vielleicht bereits Bewegung genug, um es aufzuwecken.
Vorsichtig befreite sie ihr Bein von seinem und schob sich seitwärts zurück in Richtung Bettkannte. Doch sie hatte noch keine zwanzig Zentimeter geschafft, bevor sein Arm sie zurückzog und er sie nur noch fester an sich drückte. Er murmelte etwas Unzusammenhängendes und wand seine Beine wieder um die ihren. Seine Lippen berührten ihren Scheitel. Das Anhängsel regte sich nicht.
»Mirkwood«, flüsterte sie. Das konnte er doch unmöglich alles im Schlaf tun?
Er gab keine Antwort, und in der Stille formte sie ihren Mund, ihre Lippen, ihre Zunge und ihren Gaumen, zu etwas Neuem. »Theophilus.« Der Name schwebte in der Luft wie von der Handfläche gepustete seidig weiße Löwenzahnsamen, flüchtig und unberechenbar.
Er murmelte wieder etwas – sie spürte das Brummen in seiner Brust – und verstummte dann bis auf die Atemzüge. Ein und aus.
Sie schloss die Augen und wartete auf den Schlaf oder den Sonnenaufgang. Wahrscheinlich Letzteres. Wenn sie nicht einschlief,
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