Ein unsittliches Angebot (German Edition)
ihr lechzten, beschrieben kleine Muster auf der Decke. Das leise Rascheln füllte die Gesprächspausen. »Weiß der Pfarrer davon?«
»Er hat nicht die leiseste Ahnung.« Am Klang ihrer Stimme erkannte er, dass sie sich ihm zugewandt hatte. »Er wollte das Projekt abbrechen, als er erfuhr, was im Testament steht, und dass wahrscheinlich alles Mr Russells Bruder zufallen würde. Also habe ich behauptet, ich würde Mr James Russell schreiben und sein Einverständnis einholen.«
»Und, haben Sie das?« Ein Finger, nur einer, legte sich in die Krümmung ihres Ellbogens.
»Mr Atkins glaubt es. Aber ich habe es nie getan.« Sie wandte sich wieder dem Betthimmel zu. »Er wird mich dafür verachten, falls es je herauskommt. Sobald es herauskommt. Es muss ja herauskommen.«
»Ein Jammer. In meiner Achtung steigen Sie.«
»Sie sind ja auch ein Freund ehrlosen Verhaltens.« Ihre Worte hatten die Form eines Lächelns.
»Vielleicht. Aber in Ihrem Fall ist es etwas anderes.« Sein Finger beschrieb ein Muster auf ihrem Innenarm. »Sie riskieren viel für Dinge, die Ihnen etwas bedeuten. Sie riskieren die gute Meinung der Leute, deren gute Meinung Ihnen so wichtig ist. Das bewundere ich.«
Sie atmete ein und atmete aus. Vermutlich sann sie über seine Worte nach. »Mr Mirkwood«, sagte sie schließlich – und zögerte. »Theo. Ich kann dir nicht sagen, was es mir bedeutet, dass dir die Schule nicht egal ist. Meine Hoffnung ist, falls ich es nicht schaffen sollte …« Ihre Stimme zitterte plötzlich, und er legte alle Finger um ihren Ellbogen, während sie tief durchatmete. »Wenn das Haus doch an Mr James Russell fällt, oder wenn Mr Atkins sich entschließen sollte, falls er herausfindet, dass er hintergangen worden ist …«
»Du möchtest, dass ich mich an deiner Stelle um die Schule kümmere, meinst du. Falls du nicht mehr die Möglichkeit hast, diese Rolle selbst zu spielen.«
»Ich weiß, es ist sehr viel verlangt.«
»Eigentlich nicht. Nicht zwischen einem Mann und seiner Geliebten.« Endlich erlaubte er sich, sie an sich zu ziehen. »Und außerdem wird es nicht nötig sein, denn wir werden deinen Mr James Russell enttäuschen. Das darfst du nicht vergessen.« Seine Arme zogen sie an seine Brust, sein Bein umschlang das ihre, und sein Kinn schmiegte sich an ihren Scheitel. Ihr Atem blieb ruhig und ihr Puls ungestört; man hätte meinen können, sie habe nur darauf gewartet, dass seine Glieder sie genau so umfingen.
Der Montag brachte eine Überraschung. Der Hausdiener fand sie in der Bibliothek vor, wo sie sich gerade nach Büchern umsah, die Informationen über Milchwirtschaft enthalten könnten, und überreichte ihr die Karten dreier Damen, deren Namen ihr nichts sagten.
Mrs Canning. Mrs Kendall. Miss Leigh. »Haben Sie gesagt, in welcher Angelegenheit sie mich zu sprechen wünschen?« Sie drehte ein Buch auf die Seite, um die Stelle zu markieren, bis zu der sie gekommen war.
»Sie möchten Sie besuchen.« Der Diener räusperte sich. »Einen Anstandsbesuch machen«, fügte er hinzu, so als fürchte er, sie sei mit dem Konzept gänzlich unvertraut.
Was beinahe zutraf. Martha klopfte sich den Staub von den Fingern. »Ist Kuchen da?«
»Kuchen, Madame?« Eine einzige dünne Linie zeichnete sich auf seiner ansonsten ausdruckslosen Stirn ab.
»Ja, Kuchen. Mr Mirkwood war ganz begeistert von dem Zitronenkuchen, als er mir einen Besuch gemacht hat. Lassen Sie am besten auch Tee bringen. Tee und Kuchen.« Je länger sie sie mit dieser Neuheit beschäftigen konnte, desto weniger würde sie sich mit ihnen unterhalten müssen. Jetzt wäre ihr Mr Mirkwoods Souveränität gelegen gekommen. Er hätte unbekannte Besucherinnen lediglich als eines der vielen wundersamen Abenteuer der letzten Zeit betrachtet. »Dann werde ich zu ihnen gehen. Im Pfingstrosenzimmer oder im großen Salon?«
Mrs Canning, Mrs Kendall und Miss Leigh waren in den formellen Empfangssalon von Seton Park geführt worden, wo sie in einer Reihe auf einem Sofa aus weißem Samt mit goldenen Füßen und Armlehnen saßen und sich die Hälse verdrehten, um den Moorfield-Teppich, die schweren Kronleuchter und den vergoldeten Stuck zu betrachten. »Was für ein entzückendes Zimmer!«, sagte Mrs Canning, als sie einander vorgestellt waren und sich gesetzt hatten. Mit ihrer stämmigen Statur und ihren Luchsaugen kam sie darin recht eindrucksvoll zur Geltung.
»Wirklich entzückend.« Mrs Kendall war eine unscheinbare Person mit wachen Augen und schnellen
Weitere Kostenlose Bücher