Ein unverschaemt charmanter Getleman
erlangt zu haben.“
Sie sah ihn fassungslos an, ihre blauen Augen ungläubig aufgerissen. „Aber was reden Sie denn da? Falsche Voraussetzungen? Es gab Augenzeugen, die Ihre Heldentaten mit angesehen haben!“
„Andere haben ebenso viel getan wie ich und gar noch mehr“, erwiderte er. „Was ich tat, war nicht außergewöhnlich. Es gab Männer, die über Jahre hinweg an Wellingtons Seite gekämpft haben, die außerordentlichen Mut und Tapferkeit bewiesen haben. Wenn Sie deren Geschichten kennen würden, verstünden Sie, wie aberwitzig es mir scheinen muss, dass gerade ich zum Helden erkoren worden bin.“
Sie lief schweigend weiter. Alistair war versucht, ihr alles zu erzählen. Die ganze Wahrheit. Was im Lazarettzelt geschehen war. Vielleicht würde er es irgendwann einmal tun. Vielleicht würde er mit der Zeit - sofern sie ihm die Zeit gewährte - den Mut finden, ihr davon zu berichten.
In kleinen Schritten würde er vom Sockel des Helden herabsteigen.
Schweigend humpelte er neben ihr her, sah sie hin und wieder von der Seite an und fragte sich, ob ihre Zuneigung diese Wandlung überdauern würde. Sie runzelte bereits jetzt die Stirn. Oh, warum nur hatte er nicht seinen Mund gehalten?
„Letzte Woche habe ich einen Brief von meiner Tante Clothilde erhalten“, begann sie. „Darin schrieb sie in aller Ausführlichkeit von Ihren stürmischen Liebesaffären, und Sie sollten besser wissen, dass meine Tante niemals etwas mir zuliebe zensieren würde. Sie schrieb von dem Aufruhr bei Kensington Gate, den Schmähschriften, dem Schuldnerarrest, den Gerichtsverfahren und so weiter und so fort. Auf einmal konnte ich verstehen, warum der Earl of Hargate der Ansicht ist, Sie seien teuer und aufwendig in der Haltung.“
Alistair merkte sogleich, wie die vertraute Bürde sich schwer auf ihn senkte, jenes Gefühl der Sinnlosigkeit und der Erschöpfung, das er jedoch seit Wochen schon nicht mehr verspürt hatte. Aber seine Vergangenheit verfolgte ihn beharrlich und würde ihn letztlich ihre Zuneigung kosten - ob er den Kanal nun baute oder nicht.
„Ich denke, dass dies wohl der Preis ist, den man dafür zu zahlen hat, von starkem und interessantem Wesen zu sein“, fuhr sie fort. „Die Presse findet Gefallen an Ihnen. Die Zeitungen haben Sie nicht allein aufgrund Ihrer Taten berühmt gemacht - wenngleich Sie auf die wahrlich stolz sein können -, sondern auch deshalb, weil Sie eine gute Geschichte hergaben.“
Er lauschte ihrem melodischen Tonfall und wagte abermals einen Blick in ihr Gesicht. Um ihre Lippen spielte ein leichtes Lächeln, und ihre blauen Augen tanzten vor Belustigung.
Sogleich erinnerte er sich daran, wie sie an jenem ersten Tag von draußen in den Salon gestürmt war, mit funkelnden Augen und strahlendem Antlitz ... wie ihr sonnig strahlendes Lächeln ihn umfangen und gewärmt hatte ... an all die Schattierungen und Spielarten dieses Lächelns, die er seitdem zu sehen bekommen hatte.
Er erinnerte sich daran, wie ihr bloßer Anblick ihm leichter ums Herz hatte werden lassen, so wie es auch jetzt die kleinste Regung in ihrer Miene vermochte.
„Eine gute Geschichte?“, wiederholte er fragend.
„Zunächst einmal war da der Skandal in London, die gelöste Verlobung und die Kurtisane“, erklärte sie. „Dann der aufgebrachte Vater, der Sie ins Ausland geschickt hat. Als diplomatischen Berater. Lord Hargate hatte nie beabsichtigt, dass Sie in die Schlacht ziehen, nicht wahr?“
„Ganz gewiss nicht. Mein Vater hält mich für undiszipliniert und aufsässig und daher als für den Militärdienst völlig ungeeignet.“
„Aber Sie gehörten nicht zu jenen Männern, die friedlich in Brüssel sitzen wollten, während andere in den Krieg zogen“, fuhr sie fort. „Kaum jemand weiß, wie es Ihnen gelungen ist, doch zum Militär zu gelangen. Und jene, die es wissen, wollen es nicht sagen. Den meisten von uns ist nur bekannt, dass Sie sich irgendwie einen Platz in der Armee verschafft haben müssen und sich auf einmal inmitten der schlimmsten Schlacht wiederfanden.“
„In solchen Zeiten sind die Oberbefehlshaber froh über jeden Mann, den sie bekommen können“, meinte Alistair. „Freunde aus meiner Schulzeit haben ein gutes Wort für mich eingelegt, und ich war zudem sehr hartnäckig. Es war letztlich wohl einfacher, mich in die Armee zu lassen, als mich wieder loszuwerden.“
„Wie dem auch gewesen sein mag, Sie konnten sich schließlich in der Schlacht beweisen“, stellte sie fest. „Immer
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