Ein unverschaemt charmanter Getleman
Botanik, aber noch auf durchaus normale Weise. Mama hat wunderbar detaillierte Skizzen von Pflanzen für ihn angefertigt.“
Alistair ging zu ihr hinüber und setzte sich neben sie. Es kümmerte ihn nunmehr ebenso wenig, welch verheerende Wirkung die Moose und Flechten auf seinen maßgeschneiderten Mantel haben würden, wie er sich nun auch nicht länger an Mirabels unmodischem Umhang störte.
„Ihr Vater hat sie sehr geliebt“, stellte er fest.
Sie nickte. Tränen schimmerten in ihren Augen.
„Wenn sie Ihnen nur ein wenig ähnlich war, kann ich sehr wohl verstehen, dass Ihr Vater sich all diese Jahre aus der Welt zurückgezogen hat“, meinte er. „Obwohl erst ein paar Tage vergangen sind, da ich Sie das letzte Mal gesehen habe, erschien es mir doch schon wie die finsterste und eintönigste Ewigkeit.“
Sie stand unvermittelt auf. „Sie sollen nicht so mit mir kokettieren", sagte sie kurz angebunden. „Ich hätte Sie niemals hierher mitnehmen dürfen. Bei dem ersten Aussichtspunkt hätte ich umkehren sollen, wie ich das auch vorhatte - oder glaubte, es vorzuhaben. Aber mir scheint, als würde ich beständig das genaue Gegenteil dessen tun, was ich tun sollte.“
Alistair erhob sich ebenfalls, wenngleich ein wenig schwerfälliger, denn der Stein war recht kühl, und sein Bein hatte ihm den Besuch der kalten und feuchten Versteinernden Quellen noch nicht gänzlich verziehen. „Die Liebe bringt es mit sich, dass Menschen sich seltsam verhalten“, meinte er.
„Ich bin nicht in Sie verliebt“, entgegnete sie. „Es ist eine törichte Gefühlsaufwallung. Ich habe gehört, dass alte Jungfern des Öfteren von derlei Verwirrungen heimgesucht werden.“
„Sie sind weder alt noch verwirrt“, sagte er. „Vielleicht habe ich ja tatsächlich nur Ihre Gefühle in Aufruhr versetzt, aber ich zumindest bin bis über beide Ohren in Sie verliebt, Mirabel.“
Sie wandte sich von ihm ab. „Dann rate ich Ihnen, Ihre Leidenschaft zu bezwingen“, ließ sie sich mit klarer und eisig kalter Stimme vernehmen, „denn sie wird zu nichts - zu gar nichts - führen.“
Was auch immer Alistair erwartet hatte, damit hatte er nicht gerechnet. Ihr rosiges Strahlen war mit einem Mal verschwunden, und auch all die Wärme, das Vertrauen und die Zuneigung.
Reglos stand er da, bestürzt und verständnislos, und blickte ihr fassungslos nach, wie sie davoneilte.
Nur für den Fall, dass ihr frostiger Abschied Alistair noch nicht genügend entmutigt haben sollte und ihn nicht davon abhielt, ihr zu folgen, schlug Mirabel bald eine Abkürzung ein und lief rasch einen versteckten Seitenweg hinunter.
Sie würde nicht weinen. Sie durfte nicht weinen. In wenigen Minuten wäre sie zurück auf der South Parade, und die Leute durften sie nicht mit verweinten Augen und geröteter Nase sehen. Sollte jemand sie so sehen, würde die Neuigkeit sich binnen einer Stunde in Matlock Bath herumgesprochen haben und binnen zweier Stunden über die umliegenden Berge und Täler gelangt sein.
Später hätte sie mehr als genug Zeit zu weinen, sagte sie sich streng.
Alistair Carsington würde bald fort sein.
Diesmal würde es ein glatter Bruch sein. Hätte sie sich vor elf Jahren in London ebenso unumwunden von William Poynton getrennt, wäre er ihr ferngeblieben. Er wäre ihr nicht hierher gefolgt und hätte sie nicht dazu gedrängt, ihre Entscheidung zu überdenken, womit er sie nur noch unglücklicher gemacht hatte, als sie es ohnehin schon gewesen war - wenngleich das natürlich nicht seine Absicht war -, und auch sie hätte ihm nicht noch mehr Kummer bereiten müssen, als sie es bereits getan hatte.
Doch das kam davon, wenn man versuchte, sich umsichtig und in aller Freundschaft von jemandem zu trennen: Man zog alles nur noch länger hin, schob es vor sich her und verursachte allen Beteiligten dadurch größeres Leid.
Nein, so war es schon besser, sagte Mirabel sich. Noch viel besser wäre es gewesen, wenn sie kalt und grausam geworden wäre, bevor Mr. Carsington ihr seine Gefühle gestehen konnte. Aber schwach war sie geworden, hatte noch einen kurzen Augenblick mit ihm gewollt, bevor sie für immer auseinandergingen ... und dann noch einen Augenblick und noch einen.
Und doch würde sie ihn immer damit verletzt haben, ganz gleich, wann sie den Bruch vollzog, und vielleicht war es da nur gerecht, dass auch er sie verletzte.
Ich bin bis über beide Ohren in Sie verliebt, Mirabel.
Wer hätte gedacht, dass diese Worte - die schönsten, die eine
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