Ein unverschaemt charmanter Getleman
so unterhaltsam das auch gewesen ist.“
„ Unterhaltsam ? “
„Du solltest deine Memoiren schreiben“, meinte sie trocken.
„Meine Memoiren?“ Er war es nun schon so sehr gewohnt, völlig unerwartet einen Schlag vor den Kopf versetzt zu bekommen, dass er nicht einmal mehr mit der Wimper zuckte.
„Das würde mehr Geld einbringen als diese kümmerliche Kohlegrube.“
Alistair lief in Gedanken versunken zum Kamin hinüber und blickte in die schwach brennenden Flammen, die um die Glut züngelten. Derweil überlegte er, wie viel er Mirabel erzählen sollte. Schließlich wandte er sich zu ihr um. Sie beobachtete ihn mit gespannter Aufmerksamkeit.
„Mirabel, dazu bleibt keine Zeit.“
„Du bist nicht einmal dreißig“, entgegnete sie. „So aufregend dein Leben bislang auch gewesen ist, so ist es doch recht kurz. Wenn du dich ein wenig anstrengst, könntest du deine Memoiren in wenigen Monaten geschrieben haben, denn du verstehst es ja durchaus, gewandt mit Worten umzugehen.“
„Dazu bleibt keine Zeit“, wiederholte er. „Ich habe nur noch sieben Wochen.“
Kurz und knapp erzählte er ihr von dem Gespräch, das er im November mit seinem Vater geführt hatte, von der langen Liste der Episoden der Dummheit und dem Ultimatum, das sein Vater ihm gesetzt hatte.
Sie hörte ihm zu, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, als stelle er ein höchst interessantes Rätsel dar. Als er seinen Bericht beendet hatte, meinte sie: „Dann weiß ich gar nicht, worin das Problem besteht.“
Alistair war sich dessen wohlbewusst, dass er keineswegs so beredt war, wie er es gern wäre, wenn er mit ihr sprach. Doch er glaubte, die Sachlage soeben so einfach und verständlich dargestellt zu haben, dass selbst ein Kind das Problem nicht hätte missdeuten können. Aber er versuchte es erneut: „Wenn es uns nicht gelingt, die Kanalverordnung bis zum ersten Mai verabschiedet zu bekommen, muss ich eine Erbin heiraten.“
„Du hattest doch verschiedentlich den Wunsch geäußert, mich zu heiraten“, stellte sie fest.
„Nie in meinem Leben habe ich mir etwas so sehr gewünscht“, bekannte er.
„Nun denn“, erwiderte sie.
„Nun denn - was?“
„Ich bin eine Erbin“, sagte sie.
Mirabel wartete einen kurzen Moment des unheilvollen Stillschweigens.
Und dann: „Nein“, beschied Alistair.
Unruhig lief er vom Kamin zur Tür und wieder zurück. Er ließ sich in einen Sessel fallen und stand sogleich wieder auf. Er kam auf sie zu und wich zurück. Schließlich blieb er abermals vor dem Kamin stehen und starrte finster in die Flammen.
Das war keineswegs die Reaktion, die sie erwartet - oder gar erhofft - hatte. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass sein Problem so leicht zu lösen wäre. Doch für ihn schien es ein Problem zu bleiben, und wie hatte sie je etwas anderes annehmen können?
Auch William Poynton hatte sie geliebt, aber das von ihm geforderte Opfer war zu groß gewesen. Er hatte seine Träume und Ambitionen ebenso wenig aufgeben können, wie sie selbst ihr Zuhause und ihren liebenswert arglosen Vater im Stich lassen konnte, der von jedem Schurken und Schlitzohr im Umkreis von zehn Meilen eifrigst geprellt und betrogen wurde.
„Ich würde nicht erwarten, dass du dich in einen Gutsbesitzer verwandelst und für immer in Derbyshire bleibst“, sagte sie rasch, und ihr Herz pochte in wilder Verzweiflung. „Natürlich wirst du im Frühjahr, während der Saison, in London sein wollen.“
„Wenn du glaubst, ich würde dich mitten in der Urlaubszeit allein in Longledge lassen, wenn es dort von müßig sich ergehenden Männern nur so wimmelt, täuschst du dich gewaltig“, brummelte er finster in das Kaminfeuer.
Der flackernde Schein der Flammen vertiefte noch die dunklen Schatten unter seinen Augen und betonte seine markanten Gesichtszüge.
„Du nimmst wohl kaum ernstlich an, dass ich das Anwesen ausgerechnet im Frühling und Frühsommer unbeaufsichtigt ließe, wenn dort besonders viel zu tun ist“, entgegnete sie und streckte ihr Kinn vor, wenngleich ihr Mut sie langsam verließ. „Das sollten wir besser gleich klären. Manche Dinge sind nicht verhandelbar.“
Als er sich zu ihr umwandte, waren seine Augen kalt und hart. „Es gibt auch nichts zu verhandeln“, ließ er sie wissen. „Mittellos werde ich nicht zu dir kommen. Ich habe bereits wie ein Schmarotzer auf Kosten meines Vaters gelebt. Niemals werde ich nun auch meiner Frau zur Last fallen.“
„Ein Schmarotzer? Mir zur Last fallen?“
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