Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
Vom Netzwerk:
umgebende Dunkelheit. Er kam so nah heran, wie er sich vorwagte, und blickte hinunter. Er sah gar nichts.
    „Mr. Oldridge“, rief er. „Geht es Ihnen gut?“
    „Aber ja, gewiss doch.“
    „Wir holen ein Seil und werden Sie dann im Handumdrehen da herausziehen.“
    „Ich fürchte, dass die Lage sich etwas komplizierter darstellt.“
    Mirabel kroch neben Alistair heran. „Papa, bist du verletzt? Ist etwas gebrochen?“
    „Nein, ich glaube nicht, aber es ist schwer zu sagen. Caleb Finch ist auf mich gestürzt. Er ist... tot.“
    Übelkeit stieg in Alistair auf. Er atmete tief durch. Auf einmal erinnerte er sich an alles. An den Schlamm. Die kalten, erstarrten Körper, die ihn niederdrückten. An den Gestank. Er drängte die Erinnerungen beiseite. „Wenn das so ist, werde ich zu Ihnen nach unten kommen, Sir“, meinte er.
    „Alistair.“
    Er konnte Mirabels Gesicht in der Dunkelheit zwar kaum ausmachen, doch vernahm er deutlich die Angst in ihrer Stimme. „Wenn ihr beide dort unten feststeckt“, sagte sie ruhig, „wie soll ich euch dann wieder herausbekommen?“
    „Wir werden nicht feststecken“, erwiderte Alistair ebenso ruhig. „Ich muss hinabsteigen.“ Lauter fügte er hinzu: „Mr. Oldridge, können Sie mir noch etwas von dort unten berichten? Ich erkenne kaum etwas.“
    „Mir war eine verräterische Vertiefung am Boden aufgefallen, weshalb ich zögerte und stehen blieb“, ließ Oldridge ihn wissen. „Dann hat Finch mich eingeholt, aber als ich versuchte, ihn zu warnen, meinte er wohl, ich wolle ihn überlisten. Das ist einer der alten Lüftungsschächte, wie sie den ganzen Berg durchziehen. Dieser hier konnte den Jahren, dem Wetter und der Schwerkraft nicht länger standhalten - kurzum, er ist am Einstürzen. Mir scheint, dass wir auf einem Schutthaufen gelandet sind, der das Loch zum Schacht teilweise versperrt.“ „Demnach liegen Sie also nicht am Boden des Schachtes“, stellte Alistair fest.
    „Oh nein, keineswegs. Wir stecken über der Öffnung fest.“ Er sei sich nicht sicher, wie tief der Schacht sei. Ginge man jedoch von seiner Lage am Hang aus, so schätze er, dass es noch einmal zwanzig Fuß in die Tiefe gehe.
    „Ich vermute, dass es nicht ratsam für mich wäre, bis auf den Grund durchzubrechen“, fügte Oldridge noch hinzu.
    „Nein, davon würde ich auch abraten“, pflichtete Alistair ihm bei. Der Schacht führte wahrscheinlich zu einem alten Bergwerksstollen, der aber wohl längst schon von Geröll verschüttet oder aber überflutet war. Wenn der Schutthaufen unter den beiden Männern nachgab, würden sie bis auf den Boden des Schachtes fallen. Und wenn der Sturz den bislang noch Überlebenden nicht sogleich das Leben kostete, so würde er dort unten lebendig begraben werden oder aber ertrinken.
    „Ich halte es für das Beste, Unterstützung zu holen“, meinte Mr. Oldridge. „Es bereitet mir keine Umstände, noch ein wenig zu warten.“
    Und wenn der Regen stärker wurde und sich zu einem wahren Sturzbach entwickelte, wie Alistair es vor ein paar Wochen erlebt hatte? Die Wände des Schachtes würden nachgeben und Mr. Oldridge unter sich begraben oder ihn in die Tiefe reißen. Auch mithilfe der anderen Männer würde es ihnen dann nicht mehr gelingen, ihn noch rechtzeitig zu bergen.
    Es musste sofort geschehen, und Alistair würde es allein schaffen müssen.
    „Wir brauchen ein langes Seil“, sagte er zu Mirabel.
    Alistair schlang das Seil um den Stamm des nächstgelegenen, robust genug wirkenden Baumes und ließ das andere Ende das Loch hinab.
    Der Regen nahm stark und stetig zu.
    Alistair kletterte hinunter und klammerte sich fest an das Seil. Es war nass, und er rutschte leicht ab. Wenn er den Halt verlor, würde er stürzen, den unsicheren Schutthaufen durchbrechen und Oldridge samt der Leiche mit sich hinab in die Tiefe reißen.
    Bei jeder Bewegung gaben Matsch und Geröll unter ihm nach. Der Regen schlug ihm auf den Kopf und spritzte ihm Schlamm ins Gesicht. Je tiefer er sich hinabließ, desto mehr wurde er eines Geruchs gewahr, der den der feuchten Erde überlagerte und ihm nur allzu vertraut war. Blut. Und menschliche Exkremente. Der Geruch eines plötzlichen, gewaltsamen Todes. Ganz anders war das, als friedlich in seinem Bett zu entschlafen.
    Alistair musste würgen, aber er unterdrückte rasch die unwillkürliche Regung. Wenn er sich nun von Übelkeit oder Panik überwältigen ließ, würde die von ihm geliebte Frau ihren Vater und ihren zukünftigen Ehemann

Weitere Kostenlose Bücher