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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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eben im Morgenmantel zu Abend essen und einmal davon Abstand nehmen, darin gleich Ihren Untergang zu sehen. Sie sterben gewiss nicht daran, dass Sie kein frisch gestärktes Linnen um den Hals gebunden haben, oder was immer es ist, weswegen Sie so viel Aufhebens machen. Ich sehe Sie beim Abendessen, und dann reden wir.“ Während er sprach, schaute Mirabel ihren Vater ungläubig an, und ihre Augen wurden immer größer und größer.
    Mr. Oldridge bemerkte ihren Blick und sah sie an. „Als Caleb Finch auf mich fiel, hielt er ein Messer in der Hand“, begann er ihr zu erklären. „Es hätte mich ebenso gut treffen können wie ihn. Von diesem Moment an bis zu eurem Eintreffen sind mir einige Gedanken durch den Kopf gegangen. Nichts auf Erden ist mir so lieb, wie du es bist. Es tut mir von Herzen leid, dass ich dir so lange wie ein Fremder war und dass es erst dieses Schocks bedurfte, um mich wieder zur Vernunft zu bringen.“
    Er ließ ihnen beiden gar nicht erst die Gelegenheit, darauf etwas zu erwidern, sondern schwang sich geschwind von seinem Pferd und eilte ins Haus.
    Zu angemessener Zeit stand Crewe bereit, seinen Herrn zu wecken und ihn während der Ankleideprozedur über all das in Kenntnis zu setzen, was sich ereignet hatte, derweil Alistair schlief.
    Mr. Oldridge hatte davon abgesehen, Anklage gegen Jackson zu erheben, dem mittlerweile gestattet worden war, unverzüglich nach London aufzubrechen.
    Dort würde er natürlich Gordy Bescheid geben.
    Gordy, dieser Verräter!
    „Alles ganz allein Jacksons Idee, aber gewiss doch“, murmelte Alistair bitter, während er seine Hose zuknöpfte. „Als ob er jemals so etwas wagen würde - einen Gentleman zu entführen! -, ohne ausdrückliche Order seines Dienstherrn. ,Ich kümmere mich hier um alles', meinte Gordy noch. Ich kann mir schon vorstellen, was er Jackson hinter meinem Rücken alles eingeflüstert hat.“
    „Sir?“
    „Ich kann nicht länger untätig abwarten“, sagte Alistair. „Morgen werden wir gleich in der Frühe nach London aufbrechen. Kümmern Sie sich bitte um alles.“
    „Jawohl, Sir.“
    Danach verlief das Ankleiden in tiefem Schweigen, bis sich in der Stille schließlich ein leises, nachsinnendes Hüsteln vernehmen ließ.
    Alistair seufzte. „Was gibt es, Crewe?“
    Crewe reichte ihm eine Halsbinde. „Ich wünschte nur zu bemerken, Sir, dass Sie ohne beunruhigende Zwischenfälle geschlafen haben.“
    „Nein, das habe ich nicht“, entgegnete Alistair und band sich das Linnen um den Hals. „Ich habe abermals von der Kreisbahn am Euston Square geträumt.“
    Er erinnerte sich noch genau an den Traum - die Dampflok, die rundherum über die Schienen raste, und Gordy, der ihm zurief, er solle aussteigen.
    Tatsächlich war Alistair einmal vor langen Jahren sicher und wohlbehalten mit dieser Konstruktion gefahren. Doch kurz darauf kam es zu einem Zwischenfall, bei dem die Dampflok aus den Gleisen sprang. Trevithick hatte nicht die für Reparaturen nötigen finanziellen Mittel, doch andernorts wusste man sich seitdem seine Anlage zunutze zu machen. Setzte man in Wales nicht sogar dampfbetriebene Lokomotiven ein, um Kohle auf dem Schienenweg zu transportieren?
    Die Schienen waren der große Vorteil dieser Entwicklung. Eine Dampflok war eigentlich nicht viel schneller als ein Pferd, außer vielleicht auf ebener Strecke. Doch Pferde vermochten nicht stundenlang mit unverminderter Kraft zu galoppieren, wohingegen die Dampflok so lange fuhr, wie sie mit Treibstoff versorgt wurde. Aber der größte Vorteil waren tatsächlich die Schienen. Auf ihnen würden Karren und Fuhrwerke so ebenmäßig dahingleiten wie auf dem seichten Wasser eines Kanals. Zudem war allgemein bekannt, dass ein Pferd eine weitaus schwerere Last ziehen konnte, wenn diese neben dem Treidelpfad zu Wasser befördert wurde - oder eben auf den Schienen einer Güterbahn! -, als es jemals auf seinem Rücken tragen könnte.
    Und letztlich ließen sich Schienen fast überall verlegen. Sie bedurften keiner Schleusen oder Aquädukte, um Höhenunterschiede zu überwinden. Man musste für sie auch keine großen Speicherseen anlegen.
    In Gedanken noch immer vollauf mit ingenieurtechnischen Fragen beschäftigt, band Alistair geschwind seine Halsbinde zu einem nicht ganz den Regeln der Kunst entsprechenden Knoten. Wohl war er sich Crewes entsetzten Blicks bewusst, als dieser seinem Herrn in Weste und Gehrock half.
    „Ich möchte, dass Sie unverzüglich zu packen beginnen“, sagte Alistair.

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