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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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einer schmalen Krempe umkränzt, sodass Alistair ungehindert ihr Gesicht betrachten konnte. Die Profilansicht zeigte ihm rotgoldene Locken, die leicht im Wind tanzten, und einen milchig-weißen Teint, der dank der Bewegung an der frischen Luft rosig schimmerte. Keine Träne tropfte aus dem allzu blauen Auge und rann die klassisch gerade Nase hinab, und auch die weichen, rosigen Lippen zitterten nicht.
    Sie hatte ihr Kinn ein wenig vorgestreckt, aber das schien ihm nur ihre übliche Haltung zu sein, die sie aufsässig oder trotzig wirken ließ oder einfach nur nicht bedacht darauf, irgendjemandem gefallen zu wollen.
    Dennoch kam sie ihm auf einmal sehr jung vor, viel jünger, als ihr Alter vermuten ließe - und hilflos.
    Alistair rief sich zur Ordnung und sagte sich, dass seine romantische Fantasie hier zu Werke ging und ein wenig über die Stränge schlug. Miss Oldridge war einunddreißig Jahre alt, verwaltete seit einem Jahrzehnt ein großes Anwesen und kümmerte sich um alle Belange ihres Vaters. Selbst Alistair war nicht verborgen geblieben, dass sie dies sehr erfolgreich tat. Das Anwesen und die Ländereien standen in Pracht und Blüte.
    Zudem, so hatte Crewe ihm berichtet, waren ihre Nachbarn sich alles in allem darin einig, dass sie ein gutes Händchen fürs Geschäft hatte. Alistair wusste, welch ein großes Kompliment das darstellte und dass sie außergewöhnlich schlau und geschickt, willensstark und selbstbewusst hatte sein müssen, um es zu erlangen. Denn die meisten Männer verübelten es Frauen sehr, wenn sie sich auf ihr Terrain vorwagten, und legten sich mächtig ins Zeug, um ihnen dabei Schwierigkeiten zu bereiten.
    In Longledge hingegen respektierten die meisten der Männer - sowohl die hohen als auch die niederen Standes - Miss Oldridges Urteil und bewunderten sie für das, was sie aus dem Anwesen ihres Vaters gemacht hatte. Sie vermochte es sogar, sie in ihrer Meinung zu beeinflussen, wie Alistair gestern Abend hatte feststellen dürfen, als er ihrem leidenschaftlichen an Captain Hughes gerichteten Plädoyer gelauscht hatte. Ihre Worte hatten Alistair zutiefst bewegt und ihn zugleich beunruhigt.
    Doch so tüchtig und eigensinnig sie auch sein mochte, so konnte sich Alistair nun dennoch nicht des Gefühls erwehren, dass sie hilflos war, verletzlich, dass ihr etwas fehlte, dessen sie bedurfte. Er wusste nicht, was das sein mochte, aber er spürte, dass er sie auf irgendeine Weise verletzt oder enttäuscht hatte, und das zumindest wollte er versuchen wiedergutzumachen.
    Er würde es nicht deshalb tun, versicherte er sich selbst, weil sie ihm eine Schöne in Nöten schien, sondern weil er sie auf seiner Seite brauchte. Sie hatte Einfluss auf die anderen Landbesitzer. Seine Beweggründe waren rein praktischer und geschäftlicher Natur.
    „Um mich auf meinen Auftrag vorzubereiten“, begann er, „habe ich unter anderem John Fareys Allgemeine Beobachtungen zum Ackerbau und zur Mineralienwelt von Derbyshire studiert. Mr. Farey bezeichnet die Moorlandschaften als ,abstoßend“ und die dort wachsenden Pflanzen als ,ungenießbar und nutzlos“. Wenngleich ich gestehen muss, dass mir der Anblick nicht als der schönste erscheint, den ich jemals gesehen habe, so würde ich doch nicht so weit gehen, ihn als hässlich oder abstoßend zu bezeichnen. Dramatisch wäre das Wort meiner Wahl.“
    Ihre großen blauen Augen waren argwöhnisch auf ihn gerichtet. „Sie wollen sich bei mir einschmeicheln.“
    „Miss Oldridge, was es der Mühe bedürfte, sich bei Ihnen einzuschmeicheln, übersteigt die Grenzen meiner Geduld“, versicherte er ihr. „Wenn ich in Ihrer Gesellschaft bin, kann ich mich ja kaum meiner guten Manieren erinnern.“
    Daraufhin lächelte sie, und sein Herz erwärmte sich, als ob es von heller Sommersonne beschienen würde. Leider erwärmte sich auch sein Verstand und begann umgehend dahinzuschmelzen. Alistair zweifelte nicht mehr daran, noch nie einer tödlicheren Waffe als diesem Lächeln ins Auge gesehen zu haben.
    „Ansonsten sind Ihre Manieren aber sehr einnehmend“, tröstete sie ihn. „Von verschiedener Seite wurde gestern Abend bemerkt, dass Sie in den diplomatischen Dienst treten sollten.“ „Ach ja, um wie viel angenehmer es doch für Sie wäre“, meinte er daraufhin, „wenn ich den heutigen Tag beim Zaren in St. Petersburg verbringen würde.“
    „Ich hatte Sie mir an sich an einem wärmeren Ort vorgestellt“, erwiderte sie.
    „Vielleicht im Fegefeuer?“, schlug er vor.
    Sie

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