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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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wieder auf. Es war sehr geschwind bewerkstelligt. Aber danach ließ er sie nicht los.
    Sie hörte ihn kurz nach Luft schnappen, und als sie zu ihm aufsah, traf sie sein seltsam eindringlicher, golden schimmernder Blick. Auch ihr Atem ging schneller, und das Herz flatterte ihr in der Brust.
    Seine Hände waren groß und warm, sein Griff war fest, und sie war sich fast gewiss, dass er den inneren Aufruhr spüren müsse, den sie empfand. Sie sollte sich von ihm losmachen und zurückweichen, aber sie wollte nicht. Sie wollte weiter in seine Augen blicken, sie versuchen zu deuten und dabei zu hoffen wagen, dass nicht nur sie es war, deren Gefühle sich in Aufruhr befanden.
    Er beugte sich näher zu ihr, doch nur einen Deut. „Was für eine schmale Taille Sie haben“, sagte er leise und sanft und voller Verwunderung. „Wer hätte das vermutet?“
    Obwohl sie selbst nicht klein war, war er doch um so viel größer als sie. Mit dem Kopf reichte sie ihm nur gerade bis an sein makellos rasiertes Kinn. Und sie war ihm nah genug, um seinen Atem auf ihrem Gesicht zu spüren ... nah genug auch, um den flüchtigen Duft wahrzunehmen, den sie noch immer nicht benennen konnte. Als sie das feine Geflecht von Narben an seinem Hals, gleich unterhalb des Kiefers, sah, wollte sie ihre Hand darauflegen und ihre Wange daran schmiegen. Sie wusste weder, warum sie das wollte, noch, was sie damit zu bezwecken gedachte - sie wusste nur, dass sie es wollte.
    Es bedurfte fast all ihrer Willenskraft, es nicht zu tun, ihre Fassung wiederzuerlangen und betont beiläufig zu sagen: „Sobald Sie mich fertig vermessen haben, Mr. Carsington, könnte ich wohl versuchen, ohne fremde Hilfe weiterzugehen.“
    Er ließ sich Zeit, sich aufzurichten, ließ sie langsam und nur zögerlich los. Selbst als er sie nicht mehr umfasst hielt, meinte Mirabel noch immer den festen Griff und die Wärme seiner Hände zu spüren. Sie wusste, dass soeben eine Grenze zwischen ihnen überschritten worden war, und wenn sie von nun an nicht größte Wachsamkeit walten ließ, würde sie ihm bald keine Grenzen mehr entgegenzusetzen haben.
    „Sie haben mir einen wahren Schrecken bereitet“, meinte er. „Ich sah Sie bereits diesen Geröllhang hinunterstürzen. Mein Herz pocht noch immer wie wild.“
    Mirabels Herzen erging es genauso, doch pochte ihres keineswegs wegen des Schreckens. „Wenn Sie nicht gar so dicht hinter mir gingen, ließe sich die Wahrscheinlichkeit verringern, dass wir erneut übereinanderstolpern“, schlug sie vor und hoffte, der Versuchung widerstehen zu können, den nächsten Fehltritt absichtlich herbeizuführen.
    „Eine sehr gute Idee“, stimmte er ihr zu. „Ich hätte meinerseits natürlich auch besser darauf achten sollen, wohin ich meine Füße setze. Aber wissen Sie, ich war vollauf in die Bewunderung der Aussicht versunken.“
    Rechts, links und geradeaus boten sich Baumstämme, Kalkfelsen, kümmerliche Büsche und Matsch ihren Blicken dar. Hier und da sorgte eine immergrüne Pflanze für farbliche Abwechslung in der ansonsten tristen und eintönigen Landschaft.
    „Ich wage zu bezweifeln, dass der Ausblick, den Sie von hier aus haben, die Mühen dieses Anstiegs lohnt“, meinte sie.
    „Nicht aus meiner Sicht“, erwiderte er.
    Eine Welle wohliger Wärme erfasste und durchströmte sie. Natürlich verstand sie, was er meinte. Es war nicht ausgeblieben, dass sie während der zwei Jahre, da sie die Saison in London verbracht hatte, gewisse Andeutungen zu verstehen gelernt hatte. Und wenngleich sie nun zwar sittsam vorgab, seine Anspielung nicht zu begreifen, musste sie sich eingestehen, dass sie keineswegs bestürzt oder verstimmt war. Es war schon eine ganze Weile her, seit ein attraktiver Mann unziemliche Bemerkungen hinsichtlich ihrer Person gemacht hatte - sie hatte fast vergessen, wie wohltuend das war.
    Doch sofort ließ sich eine leise warnende Stimme in ihrem Hinterkopf vernehmen, und Mirabel rief sich in Erinnerung, wie sehr sich Mr. Carsington gestern Abend bei den anderen Herren eingeschmeichelt hatte, um sie sich gewogen zu machen.
    „Im Moment wären Sie besser beraten, auf den Weg zu Ihren Füßen zu achten“, sagte sie.
    „Ich werde Ihren Rat beherzigen, Miss Oldridge.“
    Mirabel lief weiter.
    „Und nun zu Ihrem Geliebten“, begann er kurz darauf.
    Sie hatte keineswegs etwas gegen einen kleinen Flirt und mancherlei Unziemlichkeit einzuwenden. Sie war in dieser Hinsicht nie so zimperlich gewesen wie manche der jungen Damen.

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