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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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umfangen. Um ihn herum mischten sich die Schreie der Tiere mit denen der Männer. Auf einmal roch er Blut. Das Blut der Männer oder das der Pferde? Ihm würde übel. Er würde sich Schande bereiten.
    „Steh auf, du Dummkopf“, murmelte er. „Hilf deinen Kameraden.“
    Die samtweiche Stimme bebte ein wenig, als sie Alistair aus dem Nebel zurückrief. „Versuchen Sie nicht zu sprechen, Mr. Carsington. Wir wollen uns unsere Kräfte doch besser aufsparen, meinen Sie nicht auch? Denn Jock wird mich durch den Regen hindurch wohl kaum hören.“
    Sie hatte recht. Wer würde inmitten dieses Unwetters ihre Hilferufe hören?
    Der eiskalte Bach strömte über ihn hinweg, und das Wasser schlug seine Beine gegen die Steine.
    „Ich werde nun rasch untersuchen, ob Sie sich etwas gebrochen haben“, verkündete sie. „Wenn Sie heil und unversehrt sind, sollte es uns gelingen, Sie ohne allzu große Schwierigkeiten aus dem Bach herauszubekommen.“
    Ja, heil und unversehrt. Er sah den Haufen blutiger Gliedmaßen vor sich. Er wollte nicht, dass sein Bein auf diesem grausigen Haufen endete.
    „Nur eine Fleischwunde“, flüsterte er. „Kein Grund, sich aufzuregen.“
    „Sparen Sie sich Ihre Kräfte für später auf“, wies sie ihn zurecht. „Ich werde mich beeilen.“
    Kräftige, entschlossene Hände tasteten seinen Hals und seine Schultern ab. Alistair schloss die Augen, und sogleich wurden seine Gedanken von einer dunklen Flut der Erinnerung überschwemmt.
    Erneut hörte er die lauten Gewehrsalven, die dennoch nicht ganz das Stöhnen und die Schreie der Verwundeten zu übertönen vermochten. Der Schmerz machte ihn zittern und die Kälte benommen. Er musste an Kitty und Gemma denken, an Helen und Aimée, an warme Betten und zarte, weiche Hände. Er würde hier sterben und nie wieder die Hände einer Frau auf sich spüren.
    Im nächsten Augenblick war Alistair wieder bei vollem Bewusstsein, spürte den Regen, der auf ihn niederprasselte, und die Frau, die sich über ihn beugte und ihn mit erfahrener Hand und sanftem Druck von oben bis unten abtastete.
    Im Nu war er seines Verstandes und seiner Stimme wieder mächtig. „Sind Sie zudem noch Ärztin, Miss Oldridge?“, fragte er ungläubig.
    „Meine Erfahrung beschränkt sich in der Mehrzahl auf Tiere“, ließ sie ihn wissen. „Aber einen gebrochenen Knochen werde ich wohl noch ausmachen können.“
    Als sie schließlich zu seinem linken Knöchel gelangte, ließ der Schmerz Alistair auffahren.
    „Da hätten wir das Problem“, stellte sie fest. „Es hätte schlimmer kommen können. Ihr Sturz hat Sie recht unsanft fallen lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie sich den Knöchel verstaucht sowie einige Muskeln gezerrt haben. Aber es scheint nichts gebrochen zu sein.“
    Ein unsanfter Sturz. Ein paar blaue Flecken. Hier und da einige gezerrte Muskeln. Das war alles. Warum zum Teufel schmerzte es dann so sehr? Und was war nur mit seinem Verstand geschehen?
    „Dachte ich mir doch, dass nichts ist“, keuchte er. „Ein verstauchter Knöchel.“
    „Das würde ich nicht unbedingt als nichts bezeichnen“, wies sie ihn scharf zurecht. „Bei Ihnen kommen noch all die alten Verletzungen aus der Schlacht hinzu, zudem sind Sie bis auf die Haut durchnässt und durchgefroren.“ Während sie ihn so schalt, half sie ihm auf die Beine.
    Selbst mit ihrer Hilfe tat Alistair sich schwer, und er fand es recht langwierig und mühsam, sich überhaupt aufzurichten. Und schmerzhaft war es zudem, da nun der gestauchte Knöchel mit dem Versehrten Oberschenkel darum wetteiferte, wer von beiden ihm mehr wehtun könne.
    Doch nicht nur jede Bewegung bereitete Alistair Schmerzen, auch seine Muskeln wollten ihm nicht mehr gehorchen und wurden fortwährend von Krämpfen geschüttelt. Der Schmerz und die zittrige Schwäche, der reißende Gebirgsbach, die glitschigen Steine, der strömende Regen, der ihm die Sicht nahm - all das zusammen gab ihm das Gefühl, nun auf einmal doch der Krüppel zu sein, der er so sehr bemüht gewesen war, nicht zu werden.
    Wenngleich sein Körper am liebsten kapituliert hätte, versuchte Alistair, sich zusammenzunehmen, doch insgeheim dachte er, wenn er sich bei seinem Sturz das Genick gebrochen hätte, wären ihm weitere mühselige Qualen erspart geblieben.
    Aus diesem Gedanken sprach aber nur ein winziger, zutiefst verachteter Teil seiner selbst, den er an sich unter Verschluss hielt. Selbstmitleid war ihm zuwider. Alistair hatte mit angesehen, was andere hatten

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