Ein unverschaemt charmanter Getleman
meine Rosenknospen pflücken, bevor sie welk herabfallen.“
12. KAPITEL
Der Ausdruck, der sich auf Mr. Carsingtons so vortrefflich aristokratischem Gesicht zeigte, war köstlich. Wäre sie nicht so aufgeregt gewesen, würde Mirabel gelacht haben. Aber ihr bebten förmlich die Knie, und wenn sie nun innehielt - und sei es nur, um zu lachen -, würde ihr Mut sie ganz verlassen.
„Das ist kein sonderlich amüsanter Witz“, bemerkte er.
„Nie in meinem Leben war mir etwas so ernst“, versicherte sie ihm.
Er hatte gesagt, er habe sie vermisst. Er hatte auch gesagt, dass er etwas für sie empfinde. Es mochte wohl sein, dass dieses Empfinden nur reine Sinnenlust war, aber dagegen hatte sie nichts einzuwenden. Auch sie empfand Lust.
Es war lange her, seit sie solches Verlangen verspürt und ein Mann ihre Gefühle erwidert hatte. Doch bei William hatte sie mit ihren Wünschen an sich gehalten und ihre Tugend der Ehrbarkeit halber bewahrt. Ihrer Pflichten und Verantwortungen wegen hatte sie den geliebten Mann ziehen lassen. Diesmal wollte sie sich nicht von Tugendhaftigkeit und Pflichten bestimmen lassen - zumindest zunächst nicht.
Sie und Mr. Carsington waren allein. Weder befanden sie sich unter ihres Vaters Dach noch im Hotel. Niemand hatte gesehen, wie sie in sein Schlafzimmer eingestiegen war, und niemand sollte sie es verlassen sehen. Eine solche Gelegenheit würde sich nie wieder ergeben.
Sie wollte nicht unberührt sterben. Wenigstens einmal wollte sie erfahren, wie es sich anfühlte, seiner Leidenschaft Ausdruck zu verleihen. Wenigstens einmal wollte sie von einem Mann geliebt werden, nach dem es sie verlangte.
Er machte einen Schritt auf sie zu. Sie wich zurück. „Sie schließen diese Knöpfe besser wieder“, sagte er beachtlich streng, „oder ich werde sie zuknöpfen.“ Er kam näher.
Sie zog sich noch weiter zurück.
Das Zimmer war nicht annähernd so geräumig wie jenes, das er in Oldridge Hall bewohnt hatte. Die Möbel, zuzüglich seiner eigenen Habseligkeiten, schufen einen wahren Parcours an Hindernissen und ließen ihm nur wenig Raum, ihnen auszuweichen. Mirabel wusste, dass er nicht wagen würde, durch eine ungestüme Bewegung an einen Tisch oder einen Stuhl zu stoßen oder Zerbrechliches - von dem recht viel herumstand - herunterzuwerfen, denn derlei Lärm würde sogleich eine Schar beflissener Bediensteter herbeieilen lassen.
Und so humpelte er ihr langsam und mit großer Umsichtigkeit hinterher, derweil sie immer weiter zurückwich und mit zittrigen Fingern auch noch die restlichen Knöpfe ihrer Pelisse öffnete.
„Miss Oldridge, dies ist ein äußerst gefährliches Spiel“, ermahnte er sie. „Jemand könnte uns hören.“
„Dann sollten Sie vielleicht leiser sprechen“, meinte sie.
Mirabel sprang auf das Bett, blieb dort stehen, wo sie gerade außerhalb seiner Reichweite war, streifte behände ihre Pelisse ab und warf sie ihm zu. Noch bevor er das Mantelkleid auffangen konnte, landete es ihm auch schon mitten im Gesicht. Er griff danach, hielt es dort einen Moment lang reglos und drückte es sich dann an die Brust.
„Das dürfen Sie nicht tun“, stellte er mit heiserer Stimme fest. „Es ist sehr schändlich von Ihnen, mir das anzutun. Darin birgt sich ...“ Er schluckte. „Darin birgt sich Ihr Duft, Ihre Wärme.“
Ihr Herz pochte wild.
„Das ist äußerst unklug“, meinte er weiter. „Und arglistig zudem.“
„Sie lassen mir ja keine andere Wahl“, befand sie. „Sie mit Ihrer verflixten Ehre.“
„Nein! Das dürfen Sie nicht tun“, wiederholte er. „Das dürfen Sie wirklich nicht!“
„Wir werden nie wieder eine solche Gelegenheit haben“, erwiderte sie.
Wir werden nie wieder eine solche Gelegenheit haben.
Alistair wollte sich gern einreden, dass das wahrlich nichts zur Sache tat. Es stand ihm ebenso wenig zu, Miss Oldridge hier zu entehren, wie es ihm unter ihres Vaters Dach zugestanden hätte.
Sie mühte sich mit den Verschlüssen ihres Kleides ab - vergebens, wie es schien.
Sie verliefen den Rücken hinab. Alistair hätte sie mit Leichtigkeit aufbekommen ...
Doch er ballte die Hände zu Fäusten und stand starr und reglos. Ohne fremde Hilfe würde sie das Kleid nicht ausziehen können. Und er würde ihr nicht helfen.
„Ich habe mein Leben lang meine Pflicht getan“, ließ sie ihn wissen, derweil sie an ihrem Kleid zerrte, um an die Knöpfe und Bänder zu gelangen. „Und ich bedaure es nicht einmal. Keineswegs. Aber ich weiß, dass ich Sie
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