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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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weigerte sich, auch nur eine Krone für Sören Christer zu zahlen. Du und Andreas seid für ihn verantwortlich, hatte er erklärt.
    Er hat ja Recht, dachte sie. Sie machte sich nur so schreckliche Sorgen, dass der Preis dramatisch steigen könnte, um den Kursverfall der deutschen Währung auszugleichen. Tagtäglich stiegen in Deutschland die Preise. Kaufte man am Montag ein Brot, kostete es am Freitag das doppelte. Der Krieg hatte die deutsche Wirtschaft hart getroffen, und sie sehnte sich wirklich danach, nach Rom heimkehren zu dürfen. Niemals hätte sie geglaubt, dass sie die italienische Ordnung vermissen würde.
    Wenn sie doch nur nicht gelogen hätte.
    Wie sollte sie damit leben? Sie hatte das Gefühl, dass Andreas sie dazu gezwungen hatte. Dabei hatte sie sich hoch und heilig geschworen, nie wieder ihm zuliebe zu lügen.
    Sie ließ den Blick durch ihr Hotelzimmer schweifen. Es erinnerte in seltsamer Weise an Sören Christers Zelle. Ja genau, Zelle, denn nichts anderes ist es, dachte sie. In seiner war allerdings zumindest geputzt worden, in ihrem Hotelzimmer dagegen sah es aus, als hätte jemand höchstens kurz durchgefegt und das Bett neu bezogen. Es war staubig und die Tapeten lösten sich an mehreren Stellen an den Fugen. Die kleine Rose in der taillierten Vase sah lächerlich deplatziert aus.
    Sobald sie in Ahrweiler aus dem Zug gestiegen waren, bekam Sören Christers Gesicht wieder Farbe. Der Direktor der Anstalt, Doktor von Ehrenwall, hatte dafür gesorgt, dass sie abgeholt wurden, und erwartete sie am Haupteingang. Amelies erster Eindruck von ihm war sehr gut gewesen. Andreas behauptete, er stünde in dem Ruf, auf seinem Gebiet einer der Besten zu sein, und auch Poul, der für ihren Geschmack viel zu oft mit Lob geizte, hatte sich für die Anstalt ausgesprochen.
    Trotzdem nagte es an ihr, dass sie so extreme Maßnahmen ergreifen mussten. Seinen Sohn in eine Nervenheilanstalt einzuweisen war doch, als würde man ihn für immer wegsperren. Poul hatte betont, wenn er in diesen sensiblen Jahren zur Ruhe komme, seien die Aussichten gut, dass er als Erwachsener gesund werden könnte. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen musste. Bei Andreas fiel ihr das schwerer. Ihr kam es so vor, als wollte er im Grunde nur ein Problem lösen. Ein Problem ! Ihr Sohn war kein Problem, das man auf die Schnelle lösen konnte, sie trugen die Verantwortung für ihn, ganz gleich, was sie als Eltern an furchtbaren Dingen durchgemacht hatten. Aber wenn Andreas fand, dass sie zu gefühlsbetont wurde, wischte er ihre Argumente jedesmal vom Tisch.
    »Herzlich willkommen, Frau Bjerre«, sagte von Ehrenwall.
    »Frau Posse-Brázdová«, erwiderte Amelie und lächelte nachsichtig. »Ich habe zuerst meinen Mädchennamen wieder angenommen und dann noch einmal geheiratet.«
    »Ja, natürlich, Sie sind wieder verheiratet. Verzeihen Sie mir.«
    Doktor von Ehrenwall nahm ihr den Mantel ab und wies ihnen den Weg ins Hauptgebäude, einen geschmackvollen, weißgrauen Backsteinbau mit großen Seitenflügeln. Ihr fiel auf, dass er Sören Christer kaum gegrüßt hatte, was ihr seltsam vorkam, da er doch in der Anstalt bleiben sollte. Unmittelbar darauf gesellte sich jedoch ein anderer Arzt zu ihnen, der Sören Christer zu einem angrenzenden Zimmer begleitete.
    »Zu einer ersten Auswertung«, erläuterte von Ehrenwall und lächelte breit.
    Er strich sich unablässig über seinen riesigen, grau melierten Bart, der bis zum Bauch hinabreichte. Das Hausmädchen brachte Kaffeetassen und Teller mit Gebäckstücken, und eigenartigerweise fand Amelie es richtig gemütlich, die Atmosphäre war so weit von einer Nervenheilanstalt entfernt, wie man es sich nur vorstellen konnte.
    Als von Ehrenwall ihr dann auch noch Fragen zu Rom stellte, das sein bevorzugtes Reiseziel zu sein schien, wurde ihre Unterhaltung immer lebhafter. Sie beschrieb ihre neue Wohnung und das Atelier mit der fast schon magischen Aussicht auf den Petersdom. Dann wollte er mehr über Oki wissen, weshalb sie ihm von dessen letzter Ausstellung erzählte und dass er aus der nach dem Krieg entstandenen Tschechoslowakei stammte. Und von ihren Söhnen natürlich, dem kleinen Slavo und Jan. Es war ein richtig nettes Gespräch, und deshalb war sie vollkommen perplex, als von Ehrenwall plötzlich meinte:
    »Wie Sie wissen, hat es Probleme bei der Unterbringung Ihres Sohns gegeben. Sie bleiben bei Ihrer Entscheidung?«
    Sie nickte und spürte, dass sie errötete. Sie hatte sich von der angenehmen

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