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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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dachte, es würde von alleine weggehen, als wäre es nur eine Phase, die er durchlief, aber in Wahrheit habe ich immer gewusst, dass es etwas war, was sich durch sein ganzes Wesen zog.«
    Sie streckte sich nach einem Taschentuch in ihrer Handtasche. Aber noch ehe sie ihre Tasche packen konnte, hatte von Ehrenwall ihr eins gereicht. In derselben Bewegung war er wieder näher an sie herangerückt. Im ersten Moment wollte sie ihn wie beim letzten Mal fortschieben, aber jetzt sehnte sie sich danach, dass jemand verstand, was sie wirklich empfand. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass in all den Jahren weder Andreas noch Oki begriffen hatten, wie sehr sie Sören Christer im Stich gelassen hatte. Sie wollte, dass es jemand offen aussprach: Es war alles ihre Schuld. Sie würde nicht widersprechen, sondern erwidern, Unwissenheit sei der Grund dafür gewesen, Sören Christer sei ihr erstes Kind und sie selbst noch so jung gewesen, als sie ihn bekommen hatte. Sie wollte andere Menschen nicht sagen hören, dass sie eine gute, aufopferungsvolle Mutter und eine Frau war, die stets ihr Äußerstes gegeben hatte.
    Sie wollte hören, dass sie das äußerste Vertrauen verraten hatte, als sie ihre Liebe einem Wesen verweigerte, das aus ihrem Körper geboren worden war.
    Doktor von Ehrenwalls Hand tätschelte tröstend ihren Arm. Sie ließ ihn gewähren, richtete sich dann im Sitzen auf.
    »Morgen«, setzte sie an, »fahre ich nach Ahrweiler, um zu klären, was sich klären lässt. Ich kann nur hoffen, dass Sören Christer sich noch in der näheren Umgebung aufhält und es der Polizei gelingt, ihn aufzuspüren. Wenn sie ihn findet, will ich vor Ort sein, sobald er in Ihre Anstalt zurückkehrt.«
    »Selbstverständlich«, sagte von Ehrenwall und fuhr fort, sie zu streicheln.
    »Ich möchte mich für Ihre Unterstützung bedanken. Es wird Zeit, dass ich ins Hotel zurückkehre.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage.«
    Amelie sah ihn erstaunt an.
    »Kommt überhaupt nicht in Frage«, wiederholte er. »Sie müssen selbstverständlich hier übernachten. Es ist spät, und ich kann Sie um diese Uhrzeit unmöglich quer durch Berlin laufen lassen.«
    »So spät ist es nun auch wieder nicht und ich …«
    »Ich habe hier alles vorbereitet für Sie.«
    »Aber …«, stammelte Amelie, »das ist völlig unmöglich.«
    Sie breitete die Arme aus.
    »Ist es nicht«, erwiderte von Ehrenwall und rückte noch etwas näher. »Ist es nicht.«
    Noch ehe Amelie etwas entgegnen konnte, rückte er ihr auch schon zu Leibe. Er legte eine Hand auf die Innenseite ihres Oberschenkels und zog ihn hoch. Sie war verblüfft über seinen überraschenden Schachzug, aber auch darüber, dass sie sitzen blieb. Erst als er seinen langen Bart gegen ihr Gesicht presste, begann sie, sich zu wehren. Ihre Panik steigerte sich, als sie spürte, wie er seine Lippen auf ihre presste. Schließlich gelang es ihr unter Aufbietung aller Kräfte, ihn so weit zur Seite zu schieben, dass sein feuchter Kuss auf ihrer Wange landete.
    Wäre er nicht so betrunken, schoss es ihr durch den Kopf, hätte ich es nie und nimmer geschafft, ihn genügend aus dem Gleichgewicht zu bringen, um aus dem Stuhl zu kommen. Blitzschnell sprang sie auf.
    »Ich muss jetzt gehen. Wofür Sie sicherlich Verständnis haben werden.«
    »Bleiben Sie«, sagte er vor dem Sessel kniend wie ein kleines Kind.
    »Das ist völlig undenkbar, und das wissen Sie genauso gut wie ich.«
    »So verstehen Sie doch, ich kann Ihnen helfen. Ich kann dafür sorgen, dass Sie Kontakt zu Ihren Gefühlen bekommen. Sie sind ein sehr unglücklicher Mensch.«
    »Sie haben nicht die geringste Ahnung, wie ich mich fühle.«
    »Sie …«
    »Und erzählen Sie mir nicht, wer hier unglücklich ist. Schauen Sie sich doch an, Sie knien hier und bitten eine verheiratete Frau …«
    »Seit wann sind Sie eine Puritanerin?«
    »Sie haben keine Ahnung, wer ich bin.«
    »Sie sagen, Sie sind Künstlerin. Das reicht mir. Ich habe gesehen, was ihr treibt. Jetzt heben Sie mal ein bisschen den Rock, so macht ihr es sonst doch auch immer.«
    »Sie sind betrunken, und deshalb werde ich Ihnen alles verzeihen, was Sie heute Abend gesagt und getan haben.«
    »Sie brauchen mir verdammt noch mal gar nichts verzeihen.«
    Amelie griff nach ihrer Handtasche und ging zur Tür. Als sie sich umwandte, war von Ehrenwall erstaunlicherweise wieder auf den Beinen, auch wenn er sich am Türrahmen festhalten musste, um im Gleichgewicht zu bleiben. Seine Miene war völlig

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