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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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Abend kaum Gäste gekommen waren, müsste sie doch etwas Bargeld enthalten.
    Er lehnte sich über die Theke und warf erneut einen Blick über die Schulter. Die Männer am Tisch interessierten sich nach wie vor nicht für ihn. Er streckte die Hand aus, um die Kassenschublade ein wenig zu öffnen, worauf ihm einige Geldscheine ins Auge fielen. Er zog die Hand zurück und lauschte. Der Mann war bestimmt noch in der oberen Etage. Wenn man bedachte, wie laut die Treppe geknarrt hatte, als er sie hinaufgestiegen war, würde es nicht zu überhören sein, wenn er wieder herunterkam. Sören Christer streckte erneut die Hand aus und öffnete die Kassenschublade noch etwas mehr. Die Geldscheine waren jetzt deutlich zu sehen.
    Er biss sich auf die Lippen, sein Puls raste. Ein Zustand, den er ebenso scheußlich wie verlockend fand. Was hatte er zu verlieren?
    Als er sich gerade vorlehnen wollte, hörte er draußen ein Auto mit quietschenden Bremsen vorbeifahren. Es war die Limousine der Baronin von Dreis. Augenblicklich drehte er sich um und ging mit schnellen Schritten zur Tür. Er trat ins Freie und sah den Wagen gerade noch um die Ecke biegen. Im ersten Moment wollte er hinterher laufen, aber es goss noch immer in Strömen, sodass er unter der Markise stehen blieb.
    Als er sich umwandte, sah er den Restaurantbesitzer hinter die Theke zurückkehren. Sören Christer wurde unsicher. Hatte er die Kassenschublade zugemacht oder offen gelassen? Auch wenn er sich nichts genommen hatte – wenn die Lade offenstand, würde der Mann dann nicht glauben, dass er gestohlen hatte? Geld hatte er ja dabei, das komplette Monatsgeld von seinem Vater lag in der Tasche. Wie sollte er das erklären? Was war, wenn der Mann die Polizei rief?
    Er zögerte. Sollte er wegrennen?
    Er wandte sich um und sah, dass der Mann auf ihn zukam. Der Regen klatschte auf das Kopfsteinpflaster. Sören Christer beschloss, sich davonzumachen. Als er sich in Bewegung setzte, bog der Wagen der Baronin um die Ecke und rollte gemächlich auf ihn zu. Er spürte die schweren Regentropfen auf seinem Gesicht. Das Auto hielt ein paar Meter, nachdem es ihn passiert hatte. Weil er bei diesem Regen im Leerlauf arbeiten musste, begann der Motor zu spucken. Dann öffnete sich die Fahrertür, und der Chauffeur stieg aus und ging zu Sören Christer.
    »Die Baronin möchte wissen, ob sie den Herrn mitnehmen kann.«
    Die Stimme war förmlich und hatte eine vornehme norddeutsche Färbung.
    Sören Christer nickte.
    »Das ist sehr freundlich von ihr.«
    Er folgte dem Fahrer, der die hintere Wagentür öffnete. Sören Christer stieg ein, setzte sich und wurde vom Lächeln der Baronin empfangen.
    »Sieh einer an«, sagte sie, »der junge Herr mit den hübschen Manschettenknöpfen.«
    Der Wagen setzte sich in Bewegung, und Sören Christer sah, dass der Restaurantbesitzer ihm geduckt unter seiner Markise stehend nachblickte.
    Die Baronin hielt Sören Christer ihre Hand hin.
    »Ich bin die Baronin von Dreis.«
    Sören Christer nahm die Hand und küsste sie.
    »Mein Name ist Graf Sören Christer Bjerre. Ich stamme aus Schweden.«
    »Graf? Aber Ihren Namen werde ich niemals aussprechen können.«
    »Dann müssen Sie mich eben anders ansprechen.«
    Sie lachte schallend, holte zwei Sektgläser heraus, füllte beide und reichte Sören Christer ein Glas.
    »Ihr Humor gefällt mir.«
    Sie stießen an, und Sören Christer balancierte sorgsam das Glas, als der Wagen über das Kopfsteinpflaster holperte.
    »Sie sind in dem Regen ja ganz nass geworden, Sie armer Kerl. Wo wohnen Sie?
    »Ich bin eben erst mit dem Zug angekommen. Mein Gepäck ist noch nicht da und ich war gerade auf dem Weg in ein Hotel, um dort darauf zu warten. Dabei wurde ich vom Regen überrascht.«
    »Ich hasse Züge«, erwiderte die Baronin. »Mein Mann ist Staatssekretär und verantwortlich für die Verkehrspolitik im Deutschen Reich.«
    »Dann kann ich ihn vielleicht auf mein Problem ansprechen?«
    »Er ist leider nicht zu Hause. Aber Sie können mich nach Hause begleiten und ihm eine Nachricht über Ihre Schwierigkeiten mit der deutschen Bahn hinterlassen.«
    Sie stießen erneut an, und die Baronin sah ihn verstohlen an.
    »Denn Sie sind doch ein Gentleman, oder?«
    Sören Christer stellte das Glas auf dem kleinen Tisch ab und nickte ernst.
    »Als solchen pflegt man mich zu bezeichnen.«
    Die Baronin lachte aus vollem Hals. Sie verschüttete das halbe Glas, und Sören Christer sah, dass ihn der Fahrer im Rückspiegel musterte.

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