Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Verdacht, dass irgendwas hier nicht stimmte.
»Geh und sieh nach dem Duke«, sagte sie zu ihrem Vater. »Zwar ist Charles sicher bei ihm, doch es kann nicht schaden, wenn du ebenfalls bei ihm bist. Er neigt dazu, seine Söhne nicht zu beunruhigen.«
Sir Edwin nickte zustimmend … Auch ihn nahm die Krankheit seines alten Freundes sehr mit. »Wohin willst du?«
»Ich will Lucien suchen.«
»Warum wartest du nicht auf seine Rückkehr? Vivian …«
»Ich kann nicht.« Sie vermochte es ihm nicht zu erklären, aber sie hatte einfach das Gefühl, es tun zu müssen. Es war, als handle sie unter Zwang. Sie ließ sich in den Sattel helfen und überlegte, welche Richtung Lucien eingeschlagen haben mochte. Nicht dass sie ihn verfehlte. Nur war das leichter gesagt als getan in einem Gelände, das sich zu allen Seiten schier endlos erstreckte.
Ihr einziger Anhaltspunkt war, dass der Duke ihn womöglich zum Fluss geschickt hatte, wo er sie und ihren Vater vermutete, und so lenkte sie ihr Pferd zum zweiten Mal an diesem Tag dorthin.
Ihr Atem ging schwer, und sie konnte sich nur mit größter Mühe zur Ruhe zwingen. Selbst wenn jemand absichtlich das Gewächshaus zerstört hatte, war er sicher längst über alle Berge. Niemand würde sich schließlich länger als nötig in der Gegend aufhalten, überlegte sie.
Es sei denn, es handelte sich um einen Fanatiker. Wie etwa den Mann, der Lucien entführt hatte. Soweit sie verstanden hatte, lebte der nur für seine Rache, und solchen Menschen war alles zuzutrauen.
Sie erreichte den Fluss und entdeckte keine Spur von Lucien.
Sie ritt ein Stück die Wiesen entlang. Auch nichts.
Wo steckte er bloß?
Sie zügelte das Pferd, hielt ihr Gesicht in die wärmende Sonne und dachte unschlüssig darüber nach, zum Herrenhaus zurückzukehren, als sie den schwachen Klang von Stimmen vernahm.
Zweifellos Männer, aber verstehen konnte sie nichts.
Zur Linken, entschied sie und lenkte das Pferd durch eine Schonung mit Baumsetzlingen.
Dann der Schock, als sie eine Lichtung erreichte. Die Szene, die sich ihr bot, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Lucien stand dort, seine dunklen Haare schimmerten in der Sonne. Er hielt den Blick auf einen Mann gerichtet, der eine Pistole in der Hand hielt und direkt auf seine Brust zielte.
Ohne sie anzublicken, sagte Lucien nur: »Vivian, lass uns allein.«
Der unbekannte Mann widersprach. »Da sind wir mal wieder unterschiedlicher Meinung, Lord Stockton. Ich lade die Dame ein zu bleiben. Mehr noch: Sollte sie Anstalten machen, sich zu entfernen, werde ich Euch kurzerhand erschießen.«
Eine Drohung, der nichts hinzuzufügen war. Vivian wagte nicht, sich zu rühren, bloß ihr Pferd tänzelte seitwärts.
»Ich meine das ernst, Miss Lacrosse. Glaubt bloß nicht, dass ich bluffe.«
Er wusste offenbar, wer sie war. Ihr hingegen war der Mann völlig unbekannt.
»Vivian, lauf.«
Der Mann drehte sich so weit zu ihr um, dass seine kalten Augen den ihren begegneten. »Wenn Euch etwas an Lord Stocktons Leben liegt, würde ich das nicht tun.«
Sie blieb. Nichts war für sie kostbarer als sein Leben.
»Das hatte ich auch nicht vor«, erklärte sie, und ihre Stimme zitterte nur ganz leicht. »Der Lärm hat mein Pferd unruhig gemacht.«
»Dann bringt es unter Kontrolle.«
»Vivian«, zischte Lucien. »Verschwinde.«
»Ich glaube, das wird sie nicht tun. Sie macht einen sehr klugen Eindruck auf mich«, knurrte der Mann mit der Waffe. Zwar sprach er englisch, doch es klang irgendwie weicher, beeinflusst durch die Klangfarbe einer anderen Sprache. Französisch vermutlich … Schließlich handelte es sich ja um einen Überläufer in Napoleons Diensten. Er mochte ungefähr in Luciens Alter sein und trug unauffällige Kleidung von guter Qualität. Allein die in der Sonne blinkende Waffe verlieh ihm eine Aura von Gefährlichkeit, die unterstrichen wurde durch die kalten Augen und das mitleidlose Lächeln.
»Ihr habt Eure zukünftige Frau klug gewählt, Stockton. Zu schade, wenn Ihr vor der Hochzeit sterben müsstet.«
Vivian erkannte, dass sie keine andere Wahl hatte, und glitt aus dem Sattel, hielt allerdings die Zügel fest gepackt, falls plötzlich eine veränderte Situation eintreten sollte. Vorerst aber würde sie nichts tun, was Lucien gefährden konnte.
»Aha, eine gehorsame junge Dame. Noch dazu sehr hübsch. Mylord, Ihr seid ein glücklicher Mann.«
»Das war ich«, erwiderte Lucien knapp. »Bis mein Weg den Ihren kreuzte. Also los, sagen Sie
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