Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
schon: Was wollen Sie von mir?«
»Eine wirklich exzellente Frage, die Ihr da aufwerft.« Obwohl er mit Lucien sprach, hatte Vivian das Gefühl, aus dem Augenwinkel beobachtet zu werden. »Dann hört gut zu«, fuhr der Mann fort. »Wenn Northfield Euch kontaktiert, sagt Ihr ihm, er soll mich in drei Tagen in Portsmouth treffen. Ich habe den Namen des Gasthauses aufgeschrieben. Meinen Informationen zufolge hat er bereits Vorsichtsmaßnahmen getroffen und seine Familie in Sicherheit gebracht. Allerdings wird er nach dem heutigen Tag vielleicht begreifen, wie ernst es mir ist. Ihr habt mir bei unserer kurzen Begegnung vor ein paar Wochen erzählt, Eure Verlobte und seine Frau seien gute Freundinnen, nicht wahr? Wie schade, wenn seine Frau durch sein Verschulden ihre liebste Gefährtin verliert …«
Eisige Kälte durchfuhr sie … Sie sah, dass in Luciens Wange ein Muskel zuckte.
»Ich habe keinen Grund zu der Annahme, dass er momentan Verbindung zu mir aufnimmt. Das wird er höchstens tun, wenn ich nach London zurückkehre. Und das dürfte kaum so schnell der Fall sein. Zunächst muss ich mich ja um die Schäden kümmern, die Sie angerichtet haben. Und sollte er sich hier irgendwo versteckt halten, Artemis, so bezweifle ich stark, dass ich ihn finde. Nicht, wenn nicht einmal Sie das geschafft haben.«
Artemis?
Er war es also wirklich, dieser geheimnisvolle Entführer. Vivian wünschte, sie hätte ihn nie zu Gesicht bekommen.
»Ich glaube, Ihr versteht nicht.« Artemis wedelte ein bisschen mit der Pistole herum. »Er wird Euch finden, sobald ihm bewusst wird, dass Ihr und Eure Verlobte seinetwegen in großer Gefahr schwebt. Ich bewundere seine Fähigkeiten, und er geht sehr geschickt vor. Aber diese Situation wird ihm klarmachen, dass er nicht jeden beschützen kann … Das vermag niemand. So einfach ist das.«
»Mag sein, und trotzdem bleibt es eine ziemlich uneffektive Vorgehensweise.«
Worum ging es hier zum Teufel?
» In welcher Hinsicht?« Artemis wirkte ehrlich amüsiert, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. »Wenn seine Frau ihre liebste Freundin verliert, wird das zu einer ziemlich hässlichen Auseinandersetzung führen.« Mit tödlich leiser Stimme fügte er hinzu: »Und keiner verdient das mehr als er.«
Vor Schreck ließ Vivian die Zügel los. Die Stute scheute und galoppierte mit einem empörten Schnauben davon, während sie ihr hilflos hinterherschaute.
»Einen guten Tag, wünsche ich. Aha, wie ich sehe, sind Sie charmant wie immer, Artemis.«
Beim Klang der kühlen Stimme, die ihr vertraut vorkam, versteifte Vivian sich. Als sie sich umdrehte, erkannte sie Damien Northfield, der eine hellbraune Reithose und ein weißes, am Hals offenes Hemd trug, darüber einen dunklen Mantel, der eher nützlich als modisch war. Normalerweise sah man ihn hochelegant in Schwarz gekleidet. Das verletzte Bein nachziehend, schlenderte er aus den Schatten langsam in die Mitte der Lichtung.
In der Hand hielt er eine Pistole.
Ganz kurz überlegte Vivian davonzulaufen, weil sich jetzt sowieso kaum noch jemand um sie kümmern würde. Aber wie festgewachsen verharrte sie auf ihrem Platz. Erstarrt.
»Northfield.« Der Fremde richtete seine Aufmerksamkeit auf den Neuankömmling. Seine Augen blitzten. »Welch eine Freude. Allerdings kommt sie nicht ganz unerwartet, denn wir haben einander schon immer gerne überrascht. Gut. Damit bin ich dem Vergnügen, Euch zu ermorden, einen großen Schritt näher gekommen. Ich warte bereits viel zu lange darauf.«
»Ich glaube, ›gerne‹ ist eine Untertreibung.« Damien warf ihr einen kurzen Blick zu. »Und lassen Sie Miss Lacrosse aus dem Spiel. Sie hat nichts damit zu tun. Stockton ebenso wenig. Wollen wir die Sache nicht einfach unter uns ausmachen? Die beiden sollten gehen.«
»Damit würde ich ja ein Faustpfand aus der Hand geben. Warum? Könnt Ihr mir das sagen?«
Kapitel 27
Lucien wagte sich nicht zu bewegen, um Vivian nicht zu gefährden. Er schaute bloß Hilfe suchend zu Northfield, ob der ihm einen versteckten Hinweis gab, was er zu tun beabsichtigte. Und er konnte bloß hoffen, dass sein Studienfreund einen verdammt guten Plan hatte. Denn eines wusste er aus eigener leidvoller Erfahrung: Diesem Mann, der sich Artemis nannte, galt ein Menschenleben nichts. Zu gut erinnerte er sich an den beiläufig gegebenen Befehl, ihn zu töten.
Und alles ging auf einen Krieg zurück, der längst zu Ende war und jetzt in einer Privatfehde seine Fortsetzung
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