Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Du bist ruiniert.«
»Mag ja alles sein, jedoch nur in den Augen der Gesellschaft. Ich selbst fühle mich nämlich absolut nicht so. Und jetzt entschuldigt mich bitte. Ich muss mich auf die Rückreise nach Kent vorbereiten.«
Um Punkt vier stieg Lucien die Stufen des herzoglichen Anwesens in London hinauf. Der Diener, der ihm öffnete, zog ein Gesicht, als sei ihm ein Geist erschienen. Und das war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihn erwartete.
Endlos lange Wochen waren schließlich vergangen.
»M y … Mylord«, stammelte der junge Mann. »Ihr seid es wirklich. Wir dachten … wir waren …«
Er nickte und unterbrach ihn. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Und nein, ich bin kein Geist. Ist mein Vater da?«
»Nein. Er ist in Cheynes Hall, Mylord.«
»Mein Bruder?«
»Ja, Lord Charles hält sich derzeit in London auf.«
Wenigstens eine gute Nachricht. »Ich muss ihn sofort sehen.«
»Er sitzt im Arbeitszimmer Eures Vaters, Mylord.«
Der Mann hatte kaum zu Ende gesprochen, da stürmte Lucien bereits davon, öffnete ohne Anklopfen die Tür. Der dunkle Kopf seines Bruders, der über einen Stapel Papiere gebeugt war, ruckte erschrocken hoch.
Und dann starrte er ihn an, als sei er das Schlossgespenst persönlich.
»Lucien!«
Charles sprang auf, umrundete den Schreibtisch und warf die Arme um den Bruder. Lucien konnte sich nicht erinnern, dass sie sich jemals so herzlich begrüßt hatten.
»Leibhaftig«, sagte er, als sie einander schließlich losließen. Sein Lächeln war weich und voller Liebe. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie gut es tut, dich wiederzusehen. Hier zu sein.« Er zeigte auf die vertrauten getäfelten Wände und Bücherregale. »Ich werde dir später alles erzählen. Sag mir zuerst, wie es ihm geht.«
»Nicht gut.«
Charles trat einen Schritt zurück. Er brauchte nicht nachzufragen, wen Lucien meinte.
»Ich habe schon befürchtet, dass mich eine noch schlimmere Nachricht erwartet«, entgegnete er. Und in der Tat war die Angst allgegenwärtig gewesen, den Vater nicht mehr lebend anzutreffen.
»Die Krankheit schreitet fort«, bestätigte sein Bruder.
Es kostete Lucien einige Überwindung, die nächste Frage zu stellen. »Vivian? Ich habe unsere Hochzeit verpasst.«
»Das ist nicht das Einzige, was du verpasst hast«, meinte Charles, wobei ein leichtes Lächeln seinen Mund umspielte. »Lass es mich vorsichtig ausdrücken: Nach deinem unerklärlichen Verschwinden wehte ihr ein ziemlich scharfer Wind ins Gesicht. Sie wird außer sich sein vor Freude, dich wiederzusehen. Ich hoffe, du hast eine verdammt gute Entschuldigung, Luce. Die wirst du nämlich brauchen.«
»Keine Sorge, die habe ich«, sagte er und dachte bereits an das Wiedersehen. »Ist sie hier?«
»Die meiste Zeit verbringt sie mit Vater in Cheynes Hall, aber ja, du hast Glück. Im Moment hält sie sich in London auf.«
Gott sei Dank, dann musste er nicht mehr lange warten, bis er sie in die Arme schließen konnte. Er vermochte es immer noch nicht fassen, dass sich nach dem ganzen Grauen alles zum Guten zu wenden schien.
»Ich habe geahnt, dass dir etwas zugestoßen sein musste. Du bist dünner geworden.« Charles runzelte die Stirn und durchbohrte den Bruder mit seinen Blicken. »Und diese interessante Narbe im Gesicht. Was zum Teufel ist passiert?«
Woher der sensenförmige Schnitt stammte, das wusste er selbst nicht. Die Wunde war einfach da, als er nach seiner Krankheit zum ersten Mal in den Spiegel schaute, zog sich von der rechten Braue bis fast zum Kinn und war zweifellos der Grund, weshalb sein Gesicht während der ersten Wochen der Rekonvaleszenz so heftig geschmerzt hatte. Vermutlich war er wirklich gegen die Felsen geschmettert worden, ehe die Strömung ihn auf den Strand trug, wo ihn schließlich Fernando fand. Dass er das alles überlebt hatte, einschließlich des Fenstersturzes am Anfang seiner Flucht, war ihm noch immer ein Rätsel.
»Sieht nach einem Unfall aus, war es jedoch nicht. Ein paar barbarische Individuen nahmen mich auf eine kleine Reise mit … Zu dieser Jahreszeit ist es auf Menorca recht schön.«
Sein Bruder fluchte leise. »Spanien? Dann stimmten Northfields Vermutungen also.«
Lucien schaute ihn überrascht an, »Dann hat Northfield bereits die richtigen Schlüsse gezogen? Ich dachte, ich müsste ihn warnen. Nun, reden will ich auf jeden Fall mit ihm. Aber zuallererst werde ich zu Vivian fahren.«
»Und während du dich wäschst und umziehst, schicke ich einen Boten zu ihr. Geh
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