Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
»Wenn die Leute es schon unkonventionell finden, sich mit Botanik zu befassen, was werden sie da über eine Mutter ohne Ehemann denken? Wenigstens das Problem hast du nicht.«
»Ja, mein Ehemann, der eigentlich deiner hätte sein sollen. Darüber haben wir beide noch nie gesprochen.«
»Charles«, sagte Vivian nachdenklich. »Ich weiß nicht, ob du das richtig verstehst … Selbst wenn ich ihn geheiratet hätte, würde er mir nie wirklich gehört haben. Und zugleich wird er mir immer gehören. Das klingt paradox, nicht wahr? Aber was ich meine, ist Folgendes: Ihn und mich verbindet eine Freundschaft, die einzigartig ist. Wir lieben einander, jedoch ohne Leidenschaft und ohne Verlangen. So etwas gab es nie zwischen uns, und so wäre es zwischen uns auch nicht geworden. Wir wussten beide bis vor Kurzem nicht, wie das ist, wenn man jemanden liebt. Als er mir seine Gefühle für dich schilderte, konnte ich es eigentlich nicht glauben. So etwas gibt es bloß in Liebesromanen, dachte ich anfangs. Bis ich dann merkte, dass er wirklich eine ganz neue Erfahrung gemacht hatte.«
Heimlich verspürte Louisa immer noch ein wenig Eifersucht auf diese ungewöhnliche Freundschaft, an die sie sich noch gewöhnen musste.
»Und du hast ihn dann davon überzeugt, um mich zu werben.«
Vivians Augenbrauen zogen sich fragend in die Höhe. »Werben? In meinen Augen war das eine stürmische Romanze, und er hat dich einfach mit sich fortgerissen. Typisch Charles. Ungestüm und unwiderstehlich. Wenn ich nur daran denke, zu welchen Streichen er mich früher angestiftet hat.« Leise fügte sie hinzu: »Eure Kinder werden ihn lieben.«
Während Luciens Sohn oder Tochter den Vater nie kennenlernen würde.
Obwohl Louisa ihn nicht kannte, verspürte sie einen stechenden Schmerz, als sie Vivians Kummer bemerkte. Spontan beugte sie sich vor und legte die Hand auf die ihrer Schwägerin. »Du wirst bestimmt ihre Lieblingstante.«
»Die skandalöse Tante.« In ihrer Stimme schwang keine Bitterkeit mit, sondern nur Resignation. »Ich bin froh, dass der Duke meinen Wunsch unterstützt, das Kind zu behalten. Dennoch gebe ich mich nicht der Illusion hin, dass dieser Weg leicht sein wird. Schon jetzt tuscheln die Leute, weil Lucien auf so rätselhafte Weise verschwunden ist. Wenn sie erst von der Schwangerschaft erfahren, zerreißen sie sich vollends ihre Schandmäuler. Und dann noch meine Eltern … Meine Mutter wird mit Sicherheit verlangen, dass ich das Kind heimlich zur Welt bringe und weggebe. Aber das kommt nicht infrage, denn jedes Mal, wenn ich unseren Sohn oder unsere Tochter anschaue, werde ich Lucien sehen. Und ich bin sehr froh, den Duke hinter mir zu wissen.«
Es gab viele verschiedene Arten, auf dieser Welt Mut zu beweisen. Die Tapferkeit des Soldaten, der sein Leben für König und Vaterland riskierte. Die Entschlossenheit eines Bauern, der dem kargen Boden eine Ernte abtrotzte, um seine Familie zu ernähren. Der Vertrauensvorschuss, den Männer und Frauen der Kirche entgegenbrachten, weil sie an Gottes Existenz glaubten …
Und dann dieser stille Mut einer Frau wie Vivian, die sich für ihr Kind gegen die Gesellschaft stellte. Es war ein bisschen beschämend für Louisa, dass sie selbst am liebsten der Gesellschaft wegen nichts und wieder nichts aus dem Weg gehen würde. Wie feige sie doch war, dachte sie, als sie jetzt Vivian gegenübersaß, die einem Feuersturm der Entrüstung zu trotzen bereit war, weil sie ihr ungeborenes Kind so sehr liebte.
Und vermutlich hatte sie Lucien Caverleigh genauso geliebt.
»Ich weiß, dass Charles ebenfalls zu dir stehen wird, nicht anders als sein Vater«, sagte Louisa und drückte sanft Vivians Hand.
»Es gab einen guten Grund, warum ich ihm vor allen anderen davon erzählt habe.« Vivians Worte hörten sich fast entschuldigend an. »Ich wusste, er würde es am ehesten verstehen.«
»Ja, er ist verzweifelt über das Verschwinden seines Bruders. Und vielleicht denkt er ja ähnlich wie der Duke, dass durch dieses Kind etwas von Lucien bleibt. Insofern war es ganz richtig, ihm als Erstem davon zu erzählen.«
»Er ist sehr viel kompetenter, als sein Vater denkt.«
»Das stimmt.«
Schweigend saßen sie beisammen, ehe Louisa schließlich murmelte: »Der Duke wird immer schwächer.«
Vivian war das ebenfalls aufgefallen, denn immer seltener erschien er zum Abendessen, und obwohl sie nicht nach seinem Verbleib zu fragen wagte, vermutete sie, dass er einen Großteil des Tages verschlief.
Vivian
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