Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
heilfroh über Vivians Rückkehr. Vater macht ihr irgendwie Angst.«
»Ich habe ihr versprochen, dich mit nach Hause zu bringen.« Vivian sah ihn an. »Sie muss dich wiedersehen. Außerdem hast du bestimmt mit Lucien jetzt eine Menge zu besprechen oder ihr alle drei … Also, pack deine Sachen und komm mit.«
Die Lippen ihrer Mutter wurden weiß, so krampfhaft presste sie den Mund zusammen. Vivian wusste auch, warum. Weil es sie störte, dass ihre Tochter sich mit dieser Pfarrerstochter, wie sie Louisa gerne bezeichnete, angefreundet hatte. Aber es war schließlich ihr eigenes Leben, fand Vivian und löste sich aus Luciens Umarmung. Und seine Rückkehr war für sie die Garantie, dass niemand mehr sie daran hindern konnte, so zu leben, wie sie es sich wünschte.
Sie fühlte sich mit einem Mal ungeheuer beschwingt. Das Lähmende der letzten Wochen fiel von ihr ab. Es gab wieder eine Zukunft. Durch Luciens Rückkehr, durch seine Liebe. Alles würde wunderbar werden. Sie war eine wirklich glückliche Frau.
»Ich habe deinem Vater bei seinen Experimenten geholfen«, berichtete sie Lucien. »Das hat ihn ein wenig abgelenkt. Von seinen Sorgen und von seiner Krankheit. Und bestimmt wird er aufleben, sobald er erfährt, dass du heil zurück bist. Ich bin gleich wieder da.«
»Unterwegs erzähle ich dir, was passiert ist.«
Er lächelte, und ihr wurde leichter ums Herz als seit Monaten.
Es war ihm unmöglich, die Stadt guten Gewissens zu verlassen, ohne Northfield vorher eine Nachricht zu schicken. Auf Antwort konnte er jedoch nicht warten. Hastig schrieb er dem Freund aus Studientagen ein paar Zeilen.
Sagt der Name Artemis dir etwas? Falls ja, solltest du lieber aufpassen. Er könnte schon in England sein.
Bei Gelegenheit mehr.
Stockton
Nachdem er diese Nachricht geschrieben hatte, wollte Lucien die ganze Geschichte erst mal vergessen. Später würde er das Ganze ausführlich mit Northfield diskutieren, aber im Moment waren ihm seine privaten Belange wichtiger.
Als sie in der Kutsche saßen, fiel ihm erneut die merkwürdig gespannte Atmosphäre auf.
»Gibt es etwas, was ich nicht weiß?«
Er hätte nie so offen gesprochen, wenn ihn der Gang der Ereignisse nicht gelehrt hätte, dass das Leben kürzer sein konnte, als man es sich vorstellte.
Sir Edwin atmete tief ein, und Charles wich seinem Blick aus.
Die Reaktionen zeigten ihm, dass etwas im Busch war.
Lucien blickte Vivian an, erhoffte sich von ihr Aufschluss und gewann gleichzeitig den Eindruck, dass der Grund für dieses merkwürdige Verhalten irgendwie mit seiner Abwesenheit zusammenhing.
»Sag’s mir«, drängte er. »Ist Vater tot?«
»Nein, nein.« Sie schüttelte rasch den Kopf. »Ich schwöre dir, als ich ihn das letzte Mal sah, war er noch einigermaßen wohlauf. Allerdings hast du ihn sehr lange nicht gesehen und solltest dich darauf einstellen, dass du ihn sehr verändert vorfindest.«
»Sie sagt die Wahrheit, Luce«, sagte Charles. »Wir haben in den letzten Tagen nichts Schlimmes gehört.«
Das war eine Beruhigung, erklärte allerdings nicht die merkwürdige Stimmung, die so gar nicht zu seiner glücklichen Heimkehr passen wollte.
»Was ist es dann?« Er schaute Vivian prüfend an.
Sie wich seinem Blick aus. »Was soll schon sein?«
Lucien ging das Herz bei ihrem Anblick über. Sie war so wunderschön und strahlte von innen heraus. Das rehbraune Reisekostüm betonte ihre elfenzarte Haut, bloß wirkte sie nervös.
»Vivian? Irgendwas stimmt hier nicht. Und wenn es nicht meinen Vater betrifft, was ist es dann?«
»Können wir später darüber reden, bitte?«
»Ja, schon. Aber zumindest möchte ich kurz wissen, worüber eigentlich«, sagte er ungeduldig und schaute seine Mitreisenden an.
Nicht die Röte, die ihr Gesicht überzog, verriet es ihm und nicht Charles’ unbehagliche Miene. Nein, er las es im Blick seines künftigen Schwiegervaters, in dem sich Missfallen und Anklage ausdrückten.
Und plötzlich dämmerte es ihm.
Jener glückselige Nachmittag mit dem Picknick, der ihn in der Erinnerung am Leben gehalten hatte.
Ihre vollendete Hingabe, die wie ein Geschenk für ihn gewesen war.
Er hatte damals keinerlei Vorkehrungen getroffen. Warum auch? Schließlich wären es eigentlich nur noch ein paar Tage bis zur Hochzeit gewesen.
Was immer er bei seiner Rückkehr erwartet haben mochte, das gewiss nicht.
Trotzdem war er überglücklich.
»Ist das wahr, was ich jetzt vermute?«, fragte er und hätte sie am liebsten in seine Arme
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