Ein Vampir für alle Fälle
herausfinden«, erwiderte Eric und entließ mich aus seiner Umarmung. »Und dann werden Köpfe rollen.« Im Rollen von Köpfen hatte Eric Übung. Es war eines seiner Lieblingshobbys. Und ich hätte mein Geld darauf verwettet, dass Castro diese Vorliebe teilte, denn der König sah geradezu schadenfroh drein vor lauter Vorfreude.
Wortlos zog Sam seinen Schlüsselbund aus der Tasche, und wir kletterten in seinen Pick-up. Als wir abfuhren, waren die zwei Vampire in ein Gespräch vertieft. Sigeberts Leiche, immer noch teilweise unter meinem armen Auto, war fast entschwunden und hinterließ einen dunklen Schmierfleck auf dem Schotter des Parkplatzes. Das Gute an Vampiren - man musste ihre Leichen nicht entsorgen.
»Ich rufe Dawson gleich morgen früh an«, sagte Sam ganz unerwartet.
»Oh, Sam, vielen Dank. Ich bin so froh, dass du da gewesen bist.«
»Es ist der Parkplatz meiner Bar«, betonte Sam. Es lag vielleicht nur daran, dass ich mich immer gleich schuldig fühlte, aber ich meinte einen Vorwurf aus seinen Worten herauszuhören. Erst dann ging mir auf, dass Sam da auf seinem eigenen Grundstück in eine Situation hineinspaziert war, an der er weder Anteil noch Interesse gehabt hatte und in deren Verlauf er beinahe gestorben wäre. Und warum war Eric auf dem Parkplatz des Merlotte's gewesen? Um mit mir zu reden. Und dann war Felipe de Castro gekommen, um mit Eric zu reden … auch wenn ich nicht wusste, warum. Aber der Punkt war: Dass sie überhaupt dort gewesen waren, war ganz allein meine Schuld.
»Oh, Sam«, sagte ich, den Tränen nahe. »Es tut mir so leid. Ich hatte keine Ahnung, dass Eric auf mich warten würde, und woher hätte ich wissen sollen, dass der König ihm folgt? Ich weiß nicht mal, warum er da war. Es tut mir so leid«, wiederholte ich. Ich hätte es hundertmal gesagt, wenn Sam dann nicht mehr diesen Ton in der Stimme gehabt hätte.
»Es ist nicht deine Schuld«, erwiderte Sam. »Ich hatte Eric ja selbst gebeten hierherzukommen. Die beiden Vampire sind schuld. Wie sollen wir dich von denen bloß wieder loseisen?«
»Es war wirklich schlimm, aber irgendwie nimmst du's gar nicht so, wie ich gedacht hätte.«
»Ich will nur in Frieden gelassen werden«, sagte Sam unerwartet. »Ich will nicht in Streitereien der Supras hineingezogen werden. Ich will nicht Partei ergreifen müssen in diesem Werwolf-Blödsinn. Ich bin nicht mal ein Werwolf. Ich bin Gestaltwandler, und wir organisieren uns nicht in Rudeln. Dazu sind wir viel zu verschieden. Und Vampirpolitik hasse ich fast noch mehr als Werwolfpolitik.«
»Du bist total sauer auf mich.«
»Nein!« Er schien Mühe zu haben, das auszudrücken, was er sagen wollte. »Aber ich will all das auch für dich nicht! Warst du vorher nicht glücklicher?«
»Du meinst, ehe ich die Vampire kennengelernt habe? Ehe ich von der Welt wusste, die jenseits der Grenze liegt?«
Sam nickte.
»In mancher Hinsicht ja. Es war schön, einen klaren Weg vor sich zu haben«, sagte ich. »Ich habe diese Streitereien der Supras und die Kämpfe auch manchmal satt.
Aber mein Leben war kein Hauptgewinn, Sam. Jeden Tag war's ein Kampf, so zu tun, als wäre ich ein normaler Mensch, als wüsste ich nicht all die Dinge, die ich über die anderen Menschen weiß. All die Betrügereien, die Untreue und Verlogenheit, die kleinen Akte der Lieblosigkeit. Die wirklich schlimmen Vorurteile der Menschen untereinander. Ihr Mangel an Nächstenliebe. Wenn man all das mitkriegt, fällt's einem manchmal schwer weiterzumachen. Aber wenn man von den Supras weiß, rückt es alles in eine andere Perspektive. Keine Ahnung, warum. Die Menschen sind nicht besser oder schlechter als die Supras, aber sie sind auch nicht die Einzigen auf dieser Welt.«
»Ich glaube, ich verstehe dich«, sagte Sam, auch wenn es ein wenig zweifelnd klang.
»Und außerdem«, fügte ich leise hinzu, »ist es schön, für das geschätzt zu werden, weshalb die normalen Menschen mich für eine Verrückte halten.«
»Das verstehe ich natürlich«, sagte Sam. »Aber es hat seinen Preis.«
»Oh, zweifellos.«
»Bist du bereit, ihn zu zahlen?«
»Bisher schon.«
Wir fuhren meine Auffahrt hinauf. Es brannte kein Licht. Das Hexenduo war bereits zu Bett gegangen, falls sie nicht irgendwo Party machten oder Zaubersprüche losließen.
»Morgen früh rufe ich Dawson an«, wiederholte Sam. »Er schaut sich dein Auto mal an, und wenn's nicht mehr fährt, lässt er es in seine Werkstatt abschleppen. Kann dich morgen jemand zur Arbeit
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