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Ein Vampir für alle Fälle

Ein Vampir für alle Fälle

Titel: Ein Vampir für alle Fälle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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beherrschen, um eine höfliche Miene zu bewahren.
    »Die erste Mieterin in Amelias Haus in der Chloe Street - das war Ihre Cousine, nicht wahr?«, fragte Copley.
    »Hadley. Ja.« Ruhig und gefasst sah ich ihn an, während ich nickte. »Haben Sie sie gekannt?«
    »Ich kenne ihren Ehemann«, sagte er und lächelte.

       Kapitel 3
    Ich wusste, dass Amelia aus der Küche zurückgekommen war und neben dem Lehnsessel stand, in dem ihr Vater saß. Und ich wusste auch, dass sie wie erstarrt war. Mir selbst stockte eine Sekunde lang der Atem.
    »Ich bin ihm nie begegnet«, sagte ich langsam. Ich fühlte mich, als wäre ich durch einen Dschungel gelaufen und plötzlich in eine Fallgrube gestürzt. Herrgott, was war ich froh, dass außer mir keiner hier Gedanken lesen konnte. Ich hatte niemandem, überhaupt niemandem erzählt, was ich in Hadleys Schließfach gefunden hatte, als ich es an jenem Tag in der Bank in New Orleans ausräumte. »Hadley war ja schon einige Zeit vor ihrem Tod geschieden worden.«
    »Sie sollten sich irgendwann mal die Zeit nehmen, ihn zu besuchen. Ein interessanter Mann«, sagte Copley, als hätte er es überhaupt nicht darauf angelegt, dass seine Worte bei mir einschlagen wie eine Bombe. Und jetzt wartete er natürlich auf meine Reaktion. Er hatte gehofft, dass ich von dieser Ehe überhaupt nichts wusste, dass ich vollkommen überrascht sein würde. »Er ist ein erfahrener Zimmermann. Ich würde ihn gern mal wieder für mich arbeiten lassen.«
    Der Lehnsessel, in dem Amelias Vater saß, war mit einem cremefarbenen Stoff bezogen, der mit einer Unzahl winziger blauer Blüten an sich windenden grünen Stängeln bestickt war. Er war immer noch schön, wenn auch bereits etwas verblichen. Ich konzentrierte mich auf das altmodische Blumenmuster des Lehnsessels, um Copley Carmichael nicht zu zeigen, wie unglaublich wütend ich war.
    »Er bedeutet mir nichts, egal, wie interessant er auch sein mag«, sagte ich so gleichmütig, als könnte mich gar nichts erschüttern. »Die Ehe der beiden war aus und vorbei. Und Sie wissen sicher auch, dass Hadley bereits eine neue Beziehung hatte, als sie starb.« Ermordet wurde. Aber die Justiz verfolgte die Ermordung von Vampiren immer noch nicht, oder nur dann, wenn der Mörder ein Mensch war. Diese polizeilichen Aufgaben übernahmen die Vampire unter ihresgleichen selbst.
    »Ich dachte, Sie würden zumindest das Kind einmal sehen wollen«, sagte Copley.
    Gott sei Dank hatte ich diese Worte in seinen Gedanken schon ein, zwei Sekunden, bevor er sie aussprechen konnte, gelesen. Doch obwohl ich wusste, was er sagen würde, erschütterte mich seine ach-so-beiläufige Bemerkung bis ins Mark. Die Genugtuung, mir das anmerken zu lassen, würde ich ihm jedoch nicht verschaffen. »Meine Cousine Hadley war sehr wild. Sie nahm Drogen und nutzte Menschen aus und war sicher nicht die ausgeglichenste Frau auf Erden. Aber sie sah sehr gut aus und hatte Ausstrahlung, daher scharten sich immer Bewunderer um sie.« Na also, da hatte ich mitsamt Vor- und Nachteilen meine Cousine Hadley beschrieben, ohne einmal das Wort »Kind« in den Mund zu nehmen. Welches Kind überhaupt?
    »Was hat Ihre Familie gesagt, als sie zu einer Vampirin wurde?«, fragte Copley.
    Hadley war von Königin Sophie-Anne Leclerq höchstpersönlich herübergeholt worden. Ihr »Übertritt« war offiziell festgehalten worden. Neu geschaffene Vampire mussten sich registrieren lassen, sobald sie in ihr anderes Dasein übergetreten waren. Und sie mussten den Meister nennen, dessen Geschöpf sie waren. Es war so eine Art staatlich geregelte Geburtenkontrolle für Vampire. Keine Frage, dass das Ministerium für Vampirangelegenheiten sich jeden Vampir, der zu viele kleine Vampire machte, vorknöpfen würde.
    Amelia hatte das Weinglas in Reichweite ihres Vaters abgestellt und sich wieder neben mich aufs Sofa gesetzt. »Dad, Hadley hat zwei Jahre lang im Apartment über mir gewohnt«, sagte sie. »Wir wissen natürlich, dass sie eine Vampirin war. Und ich dachte, du wolltest mir Neuigkeiten von zu Hause erzählen.«
    Gott schütze Amelia. Nur mit größter Mühe konnte ich mich noch zusammenreißen, und das verdankte ich einzig meiner jahrelangen Übung in Selbstbeherrschung. Ich musste mich oft zurückhalten, wenn ich in den Gedanken irgendwelcher Leute wieder einmal die größten Abscheulichkeiten gelesen hatte.
    »Entschuldigt mich, ich muss mal nach dem Essen sehen«, murmelte ich, stand auf und verließ das Wohnzimmer.

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