Ein Vampir für alle Fälle
unglaublich ernster Miene an. »Du riechst«, sagte sie. »Du riechst nach Blut und Kampf.«
Ich blickte an mir herab, und da sah ich erst, in was für einem Zustand ich mich befand. Meine Sachen waren blutverschmiert, zerrissen und schmutzig, und mein Bein schmerzte. Ich brauchte Erste Hilfe und hätte nicht besser versorgt werden können als von den beiden Krankenschwestern Amelia und Pam. Pam war etwas aufgeregt wegen der blutenden Wunde, riss sich aber wie eine brave Vampirin zusammen. Mir war klar, dass sie Eric in allen Einzelheiten davon berichten würde, doch ich hatte nicht mehr die Kraft, mir auch darüber noch Gedanken zu machen. Amelia sprach einen Heilzauber über mein Bein. Heilung sei allerdings nicht ihr Spezialgebiet, warnte sie bescheiden. Doch die Zauberkräfte begannen bereits ein wenig zu wirken, denn die Wunde an meinem Bein pochte nicht mehr so stark.
»Hast du keine Angst?«, fragte Amelia. »Das ist von einem Werwolf. Was, wenn es dich erwischt hat?«
»Da erwischt mich jede andere ansteckende Krankheit eher.« Ich hatte fast jedes Wergeschöpf, das ich kannte, schon mal gefragt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass man durch Biss zu einem der Ihren wurde. Schließlich gab es auch unter ihnen Ärzte. Und Forscher. »Die meisten Leute müssen viele Male gebissen werden, überall am Körper, und selbst dann ist es nicht sicher«, hatte ich zur Antwort bekommen. Es ist nicht wie bei der Grippe oder einer normalen Erkältung. Und außerdem, wenn man die Wunden bald säuberte, sank die Wahrscheinlichkeit noch mal rapide. Ich hatte mir eine Flasche Wasser über das Bein gegossen, bevor ich mich ins Auto setzte. »Ich habe keine Angst, sondern Schmerzen , und ich kann bloß hoffen, dass es keine Narbe gibt.«
»Eric wird nicht allzu erfreut sein«, sagte Pam mit einem wissenden Lächeln. »Du hast dich wegen der Werwölfe in Gefahr begeben. Und du weißt ja, was für eine geringe Meinung er von ihnen hat.«
»Ja, ja, ja«, erwiderte ich, denn es war mir völlig egal. »Eric soll Drachen steigen lassen.«
Pam strahlte. »Oh ja, das werde ich ihm vorschlagen.«
»Warum triezt du ihn eigentlich so gern?«, fragte ich und merkte, dass ich vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten konnte.
»Hach, ich hatte vorher noch nie so viele Ideen, wie ich ihn triezen könnte«, schwärmte Pam. Und dann verließen die beiden Krankenschwestern mein Schlafzimmer, und ich war zum Glück allein und lag in meinem eigenen Bett und war noch am Leben und schlief endlich ein.
Die Dusche am nächsten Morgen war ein geradezu erhabenes Erlebnis. In der Liste »Meine besten Duschen aller Zeiten« rangierte sie mindestens auf Platz vier. (Die beste Dusche war natürlich die mit Eric gewesen, an die ich nicht mal denken konnte, ohne dass mich ein Schauer durchlief.) Ich schäumte und seifte und rieb, bis ich richtig sauber war. Mein Bein sah gut aus. Wenn ich auch einen höllischen Muskelkater in all den Muskeln hatte, die ich sonst kaum benutzte, beseligte mich doch das Gefühl, dass eine Katastrophe abgewendet und das Böse ausgelöscht worden war - irgendwie zumindest.
Als ich mir unter dem rauschenden heißen Wasser das Haar ausspülte, musste ich an Priscilla Hebert denken. Mein kurzer Blick in ihre Welt hatte offenbart, dass sie ihrem heimatlosen Rudel immerhin einen Zufluchtsort verschaffen wollte. Sie hatte gehofft, ihre Leute könnten hier, in einer von Streitereien geschwächten Gegend, Fuß fassen. Wäre Priscilla als Bittstellerin zu Furnan gekommen, hätte er ihr Rudel sicher aufgenommen. Aber sein Amt als Leitwolf hätte er natürlich nie aufgegeben. Furnan hatte für seinen Aufstieg Jackson Herveaux getötet, und diese hart errungene Macht hätte er sicher nicht mit Priscilla geteilt - selbst wenn so was in der Werwolfgemeinde von Shreveport zulässig gewesen wäre, was fraglich ist, zumal wegen ihres äußerst seltenen Status als Leitwölfin.
Den sie nun nicht mehr besaß.
Theoretisch hätte ich ihren Versuch, für ihre Werwölfe ein neues Revier zu erobern, bewundert. Da ich Priscilla jedoch auch in der ganz praktischen Realität erlebt hatte, war ich froh, dass sie keinen Erfolg gehabt hatte.
Erfrischt von der Dusche föhnte ich mir das Haar und legte ein wenig Make-up auf. Ich hatte heute die Tagesschicht, musste also schon um elf im Merlotte's sein. Ich schlüpfte in meine übliche Kellnerinnenuniform aus schwarzer Hose und weißem T-Shirt mit Merlotte's-Logo, ließ mein Haar heute
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