Ein Vampir fuer alle Sinne
Daumens, ehe sie sich ins Holz bohrte. Erst da wurde ihm klar, was soeben geschehen war, und genau in dem Moment setzte der Schmerz ein, als hätte ein Vorschlaghammer seinen Daumen getroffen. Gleichzeitig strömte Blut aus der Wunde.
Fluchend drückte er die verletzte Hand an seine Brust und lief zurück ins Haus.
Jeanne Louise betrat das Schlafzimmer und ließ das Handtuch zu Boden sinken, in das sie sich gewickelt hatte. Es dauerte einen Moment, ehe ihr bewusst wurde, dass ihr Auftritt ohne Wirkung blieb, da Paul gar nicht da war.
»Na toll«, murmelte sie und hob das Handtuch wieder auf. Die Aktion hätte sie sich auch sparen können. Wahrscheinlich war er noch mal nach unten gelaufen, um Wein zu holen, überlegte sie, bis ihr das offene Kamingitter auffiel und sie sah, dass nur noch ein Scheit davorlag. Sie ging weiter zur Schiebetür und sah nach unten in den Garten, und tatsächlich entdeckte sie ihn dort unten beim Holzhacken und sah, wie Boomer auf ihn zugelaufen kam. Gleich darauf hatte der Hund Paul erreicht und sprang ihm ans Bein, wodurch Paul aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Die Axt sauste auf das Holzscheit nieder und blieb darin stecken.
Für ein paar Sekunden stand Paul reglos da, und Jeanne Louise begann sich zu fragen, ob wohl alles in Ordnung mit ihm war, bis er auf einmal die Axt fallen ließ und eine blutige Hand an seine Brust drückte, ehe er ins Haus zurückrannte.
Jeanne Louises Herz begann zu rasen, während sie aus dem Zimmer und die Treppe hinab ins Erdgeschoss stürmte. Sie kam in der Küche an, gerade als Paul das Waschbecken erreichte und den Wasserhahn aufdrehte. Ihr Blick fiel auf die Blutspur, die von der Hintertür bis in die Küche verlief, dann griff sie nach einem Geschirrtuch und eilte zu ihm.
»Lass mich mal sehen.«
»Ist nicht so wild«, murmelte er und hielt die Hand unters laufende Wasser. »Der Knochen wurde nicht erwischt, nur die Fingerkuppe.«
»Das blutet aber stark, Paul. Lass mich mal sehen!«, beharrte sie entschlossen, sich nicht abwimmeln zu lassen.
»Es ist schon in Ordnung, Jeanie«, gab er mürrisch zurück, ließ es aber zu, dass sie seine Hand aus dem Wasserstrahl zog und sich die Verletzung genauer ansah.
»Gar nichts ist in Ordnung. Das muss genäht werden«, erklärte sie beim Anblick der klaffenden Wunde. Er hatte den Knochen tatsächlich verfehlt, jedoch nur um Haaresbreite. Und die Wunde blutete ohne Unterlass. Jeanne Louise wickelte das Geschirrtuch um den Daumen und verknotete es, wobei sie ignorierte, dass Paul vor Schmerzen nach Luft schnappte. Sie musste die Blutung stoppen, alles andere war zweitrangig. »Du musst ins Krankenhaus.«
»Ich weiß«, stimmte er ihr seufzend zu. »Kannst du in der Zwischenzeit auf Livy aufp…«
»Du wirst ganz sicher nicht einhändig bis ins nächste Krankenhaus fahren, erst recht nicht, nachdem du schon so viel Blut verloren hast. Nachher wirst du unterwegs noch ohnmächtig.«
»Jetzt fängst du schon wieder an mich zu bemuttern«, beklagte er sich gereizt.
Jeanne Louise presste verärgert die Lippen zusammen. »Setz dich«, forderte sie ihn schroff auf. »Ich ziehe mich nur schnell an und hole Livy, dann machen wir uns auf den Weg.«
Sie dirigierte ihn zum Küchentisch, wartete, bis er sich gesetzt hatte, und dann rannte sie los, wobei sie sich der überlegenen Schnelligkeit der Unsterblichen bediente, die sie immer unterdrücken mussten, wenn sie sich unter Sterblichen befanden. Daher lief sie bereits ins Schlafzimmer, noch bevor ein Sterblicher auch nur im Erdgeschoss die Treppe erreicht hätte. In aller Eile zog sie ihre Sachen wieder an, nahm den Wagenschlüssel vom Nachttisch und holte Livy aus ihrem Zimmer. Dabei drang sie in deren Geist ein und befahl ihr, einfach weiterzuschlafen, damit sie nicht unterwegs aufwachte und sich aufregte.
Einen Moment später war sie zurück in der Küche und ging weiter in die Garage, wobei sie aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Paul aufstand und ihr folgte. Sie schnallte Livy im Kindersitz an, machte die Tür zu und drehte sich zu Paul um, den sie sofort stützte, da er sich mit leicht unsicheren Schritten durch die Garage bewegte. Diesmal protestierte er nicht gegen ihre Hilfe, aber selbst wenn, hätte sie das in diesem Augenblick auch nicht gekümmert. Er schwankte wie ein angetrunkener Seemann, das um den Daumen gewickelte Geschirrtuch war bereits blutgetränkt. Jeanne Louise half ihm auf den Beifahrersitz, schnallte ihn an und lief dann um den Wagen
Weitere Kostenlose Bücher