Ein Vampir fuer alle Sinne
Sandwiches und noch ein paar andere Dinge zu. Sie mögen Schinken, Käse und Mayonnaise, richtig?«
Jeanne Louise sah ihn verdutzt an. Es war tatsächlich ihr Lieblingsbelag für ein Sandwich, aber sie hatte keine Ahnung, woher er das wissen konnte.
»Das bestellen Sie in der Cafeteria normalerweise in der ersten Pause«, erklärte er zu ihrer Beruhigung. Der Mann hatte offenbar ein Auge fürs Detail bewiesen, während er mit der Planung dieser Entführung beschäftigt gewesen war.
»Ja, das ist richtig«, antwortete sie.
Wieder nickte er, dann ging er zur Tür. »Ich werde mich beeilen.«
Sie schaute ihm nach, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Schließlich ließ sie den Kopf zurück aufs Bett sinken und schloss die Augen. Das war gut. Ein Picknick unter freiem Himmel. Vermutlich wollte er, dass sie mehr über Livy erfuhr, damit es für sie leichter war, die Wandlung vorzunehmen. Aber es würde ihr auch die Chance bieten, den Vater des Kindes näher kennenzulernen. Und sie konnte herausfinden, ob es bei ihm noch andere typische Hinweise auf einen Lebensgefährten gab. Betrübt wurde ihr bewusst, dass genauso gut das Gegenteil der Fall sein könnte.
Einen Sterblichen oder Unsterblichen nicht lesen zu können war schließlich nur ein Indiz für einen Lebensgefährten. Ein wieder erwachender Appetit war ein anderes. Viele Unsterbliche verloren nach rund hundert Lebensjahren die Lust am Essen, aber Jeanne Louise war erst hundertzwei Jahre alt, und die meiste Zeit über hatte sie noch Spaß am Essen, auch wenn ihr seit Kurzem manches viel fader vorkam als früher. Deshalb war sie auch so erstaunt gewesen, dass das von Paul zubereitete Essen ihr so gut geschmeckt hatte, vom köstlichen Aroma ganz zu schweigen. Aber vielleicht war er ja auch nur ein exzellenter Koch. Kantinenessen war nicht gerade bekannt für erlesene Qualität, aber sie frühstückte nun mal fast immer in der Kantine von Argeneau Enterprises.
Doch es gab noch manchen anderen Appetit, der bei der Begegnung mit einem Lebensgefährten wieder erwachte, zum Beispiel der auf Sex. Auch da war Jeanne Louises Interesse noch nicht erlahmt, sodass sie nicht wusste, ob sie auf dem Gebiet einen Unterschied bemerken würde. Das würde sich umso schwieriger gestalten, da sie sich momentan des Öfteren mit einem netten Sterblichen traf, den sie in Sachen Sex als äußerst talentiert bezeichnen konnte – so sehr sogar, dass sie nur selten die Kontrolle über ihn übernehmen musste, damit er zu etwas angespornt wurde, was ihr besonders gut gefiel. Vor manchem scheute sie zurück, es zur Sprache zu bringen, aber im Eifer des Gefechts konnte sie sich nicht immer beherrschen.
Genau genommen hatte sie keine Ahnung, inwieweit sie bei diesem Picknick Klarheit darüber bekommen würde, ob er wirklich ihr Lebensgefährte war. Dennoch konnte es nichts schaden, Zeit mit ihm zu verbringen, und sie begann sich zu fragen, wie lange er wohl brauchte, um alles vorzubereiten. Es wäre zu schön, endlich dieses verdammte Bett verlassen zu können und an die frische Luft zu kommen. Nach ihrer Einschätzung war es Mittag oder früher Nachmittag. Bislang war vermutlich niemandem ihr Verschwinden aufgefallen, dennoch fragte sie sich, wie lange es wohl noch dauern und was dann geschehen würde.
Für den Abend war sie mit diesem Sterblichen verabredet, aber der würde diesmal wohl vergeblich auf sie warten. Außer ihr aus Verärgerung irgendeine gemeine Nachricht auf den Anrufbeantworter zu sprechen, würde er sicher nichts weiter unternehmen. Solche Bekanntschaften behandelte sie völlig getrennt von ihrem restlichen Leben, also konnte er auch nicht bei ihrer besten Freundin Mirabeau oder bei ihren Brüdern anrufen und nachfragen, ob jemand etwas über ihren Verbleib wusste.
Es konnte sein, dass ihr Verschwinden erst am Sonntagabend auffiel, wenn sie nicht zur Arbeit erschien. Dabei war es nicht so, als würde sie ein völlig einsames Leben führen. Ihr Vater rief sie oft an, und er besuchte sie auch gern am Wochenende, ganz so wie ihre Brüder. Oder besser gesagt: so wie ihr ältester Bruder Nicholas, der dann immer seine Frau Jo mitbrachte. Thomas schaute viel seltener bei ihr vorbei, da er mit Inez in England lebte. Allerdings hatte Thomas erst letzte Woche noch angerufen und davon gesprochen, dass Bastien Inez ins Büro nach Toronto versetzen wollte, damit sie beide näher bei dem Rest der Familie waren. Dann waren da noch ihre Freundin Mirabeau, ihre Cousine
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