Ein Vampir fuer alle Sinne
sehen zu können.
Sein Blick war ihr zwar bewusst, aber sie nahm ihn einfach nicht zur Kenntnis, sondern überlegte angestrengt, was sie tun konnte, damit das Mädchen und auch sie selbst längerfristig von diesen Schmerzen verschont blieben. Jeanne Louise wollte selbst genauso wenig darunter leiden, wie sie es Livy zumuten wollte.
»Was machen Sie da?«, fragte Paul schließlich mit skeptischem Unterton.
Jeanne Louise zögerte, dann entschied sie, Livy schlafen zu schicken. Es war die einzige Lösung, die ihr momentan in den Sinn kommen wollte. Erschrocken drückte Paul das Mädchen an sich, als dessen Körper mit einem Mal erschlaffte, dann sah er fragend Jeanne Louise an.
»Sie schläft jetzt«, erklärte sie leise. »Jetzt wird sie keine Schmerzen spüren, weil der menschliche Körper im Schlaf Endorphine ausschüttet, die das Leiden verhindern.«
»Sie haben sie einschlafen lassen?«, hakte er ungläubig nach.
»Etwas anderes ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen.«
»Wird sie auch weiterschlafen, wenn Sie nicht in der Nähe sind?«, fragte Paul skeptisch.
»Das sollte so sein. Falls sie aufwacht, wenn Sie sie ins Bett legen, dann rufen Sie mich, damit ich das Gleiche noch mal wiederhole.«
Paul zögerte, doch dann nickte er und trug seine Tochter ins Haus. Boomer folgte den beiden und lief neben Paul her, sein Bick war dabei die ganze Zeit auf das Kind in den Armen des Mannes gerichtet.
Kaum war Paul ins Haus verschwunden, rieb sich Jeanne Louise die Stirn. Als sie sich durch den Verstand des Kindes bewegt hatte, war der Schmerz mit der gleichen Heftigkeit auf sie eingestürmt wie zuvor auf das Kind. Es war schlicht unerträglich gewesen, und sie konnte nicht begreifen, wie das Mädchen so etwas nur aushielt, und dabei war sie doch sogar eine Unsterbliche. Die Nanos mussten ihren Körper mit Endorphinen geflutet haben, damit sich die Schmerzen legten. Sie konnte sich nicht ausmalen, was es bedeutete, Tag für Tag solche Qualen zu erleiden, und das auch noch über Wochen hinweg. Es musste doch irgendein Medikament geben, das man dem Mädchen verabreichen konnte.
Jeanne Louise ließ sich nach hinten auf die Decke sinken, die Paul auf dem Holzboden des Pavillons ausgebreitet hatte. Sie machte die Augen zu und rieb sich erneut über die Stirn, während die Erinnerungen an die Schmerzen allmählich verblassten. Dann befasste sie sich mit dem, was alles noch getan werden musste. Sie konnte Paul nicht lesen, und was sie seit ihrer Entführung von ihm zu essen bekommen hatte, schmeckte alles unglaublich gut. Zu neunzig Prozent war sie sich sicher, dass sie es hier mit ihrem Lebensgefährten zu tun hatte. Sie brauchte nur noch den letzten endgültigen Beweis. Das Essen hatte zehnmal oder vielleicht sogar hundertmal besser geschmeckt als alles, was sie in jüngster Zeit zu sich genommen hatte. Wenn das für den Sex mit Paul auch galt …
Nicht umsonst hieß es, dass Lebensgefährten von der Leidenschaft beim Sex so mitgerissen wurden, dass sie tatsächlich vorübergehend das Bewusstsein verloren. Sie konnte sich das gut vorstellen, wenn der Sex auch hundertmal intensiver war. Ob das zutraf, musste sie schnellstens herausfinden, denn ihr schlechtes Gewissen plagte sie schon jetzt, weil sie verhindern wollte, dass Livy noch länger unter ihren Schmerzen litt. Aber sie konnte nicht einfach vorpreschen und die Kleine wandeln. Also musste sie bei Paul das Tempo erhöhen und ihn verführen, damit sie auch noch den letzten entscheidenden Beweis erhielt, dass er tatsächlich ihr Lebensgefährte war. Und dann musste sie ihn auch noch dazu bringen, dass er sich in sie verliebte und sich einverstanden erklärte, mit ihr die Ewigkeit zu verbringen. Erst dann konnte sie ihm sagen, dass sie nur einen Menschen wandeln konnte, entweder Livy oder ihn. Und gleich danach musste er erfahren, dass er dann seine eigene, einzige Chance dazu benutzen konnte, seine Tochter zu heilen und zu retten.
Wenn ihr das gelang, würde alles in bester Ordnung sein. Sie würden eine kleine Familie sein. Sie hatte dann ihren Lebensgefährten und dazu auch noch dessen Tochter. Bei diesem Gedanken wurde ihr ein wenig schwindlig. Es war wie ein Wirklichkeit gewordener Traum, denn Jeanne Louise wollte nicht nur eine eigene Familie gründen, sondern sie liebte auch noch Kinder über alles. Diese Sehnsucht nach einem Kind war ihr erst irgendwann in den letzten zehn Jahren bewusst geworden, und sie war durch die Geburt von Lucy – der Tochter von
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