Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
Seufzer. „Vermutlich hat sie dich für einen verrückten Killer gehalten.”
„So hat die Polizei das auch formuliert”, kommentierte Lucian.
„Die Polizei?”, rief Marguerite.
„Du musst dich nicht aufregen”, gab er zurück. „Ich habe ihnen alles erklärt.”
„Und was bitte hast du erklärt?” Sie hörte sich fast schon hysterisch an. „Du konntest ihnen ja schlecht die Wahrheit sagen.”
„Jetzt sei nicht albern, Marguerite. Natürlich habe ich ihnen nicht die Wahrheit erzählt.” Er stieß einen Seufzer aus, der das Tuch vor seinem Mund bauschte. „Ich merke, die lange Reise hat dich nervös gemacht. Keine Sorge, ich kümmere mich hier um alles. Ruh du dich erst Mal eine Weile aus.”
„Du wirst dich um alles kümmern?”, wiederholte Marguerite frustriert, aber Lucian nahm davon keine Notiz. Er drückte auf verschiedene Tasten des Hörers, um die Verbindung zu beenden, aber sie redete immer noch drauflos. „Ich kenne dich jetzt seit siebenhundert Jahren, Lucian, und in der ganzen Zeit hast du.... ”
Endlich fand er die richtige Taste, und der Lautsprecher verstummte. Es tat Leigh fast leid, dass es ihm gelungen war, denn sie hätte gern noch mehr erfahren. Auf jeden Fall musste sie sich verhört haben. Marguerite wollte Lucian seit siebenhundert Jahren kennen? Vermutlich meinte sie sieben und irgendwas Jahre, oder Leigh hatte sie bloß falsch verstanden. Dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, dass Marguerite sicher noch etwas Interessantes hätte folgen lassen.
In der Stille nach dem Telefonat wurde Lucian ruhiger, straffte seine Schultern und drehte sich zu Leigh um. Eine Zeit lang musterte er sie, dann zeigte er auf das Tablett. „Ich habe Ihnen etwas zu essen gemacht, falls Sie Hunger haben.”
Leigh betrachtete die dampfende Portion auf dem Teller und fragte zweifelnd: „Was soll das sein?”
„Fleisch mit Soße.”
„Fleisch mit Soße?”, wiederholte sie nachdenklich. „Haben Sie das gekocht?”
„Ich habe die Dose geöffnet und das Ganze eine Minute lang in der Mikrowelle erhitzt. Gekocht hat es ein Typ namens Pal.”
Leigh wurde hellhörig. „Pal?”
Er zuckte mit den Schultern. „So steht es auf der Dose.”
Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Sie können eine Mikrowelle bedienen, aber kein Telefon, und Sie halten Pall für den Namen des Kochs, obwohl das ein Markenname für Hundefutter ist?” Irgendetwas stimmte hier nicht.
„Natürlich kann ich ein Telefon bedienen”, herrschte er sie an. „Ich bin ja kein Idiot. Es ist nur so, dass Marguerite sich diese Apparate angeschafft hat, die über mehr Tasten verfügen als ein Cockpit, und.... ” Er hielt inne und schien sein Temperament in den Griff zu bekommen, dann fügte er hinzu:
„Was die Mikrowelle angeht, besitze ich auch eine. Von Zeit zu Zeit wärme ich das.... meine Getränke ganz gern ein wenig an, bevor ich sie zu mir nehme.” Seine Miene verfinsterte sich. „Und was gibt es an Hundefutter auszusetzen? Essen ist Essen, außerdem riecht es ziemlich gut.”
Leigh starrte ihn an, wobei ihr eine vage, wie ein Traum wirkende Erinnerung ins Gedächtnis zurückkehrte. Ein wenig kniff sie die Augen zusammen, während sie sich fragte, ob er der Blonde gewesen war, der sich mit Morty und Bricker in der Küche aufgehalten hatte, der ihr den Mund zugehalten und sie an sich gedrückte hatte, als sie aus dem Keller gekommen war. War das tatsächlich geschehen? War Lucian dieser Mann?
Er konnte es gewesen sein, allerdings hatte sie sein Gesicht nicht sehen können. „Wollen Sie’s oder nicht?”, fragte er, woraufhin sie ihn ungläubig ansah.
„Sie machen Witze, oder?”
„Essen ist Essen”, wiederholte er. „Außerdem konnte ich in der Küche nichts anderes finden.”
Sie schüttelte den Kopf. So hungrig war sie nun auch wieder nicht, und sie betete zu Gott, niemals so hungrig zu sein. „Nein, danke.”
Mit einem Schulterzucken nahm er den Teller vom Tablett und stellte ihn Julius hin, der sofort darüber herfiel. „Sehen Sie? Ihm schmeckt’s.”
Leigh verkniff sich die bissige Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, und sie sah zu, wie er sich vor dem Nachttisch hinhockte und die Tür öffnete. Überrascht stellte sie fest, dass es sich in Wahrheit um einen kleinen Kühlschrank handelte, der zur Hälfte mit Blutbeuteln gefüllt war. „Mund auf.”
„Was?”, fragte sie. Die Aufforderung kam so unerwartet, zudem steckte sein Kopf halb im Kühlschrank, und seine Stimme klang so
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