Ein Vampir in schlechter Gesellschaft - MacAlister, K: Vampir in schlechter Gesellschaft
wie lange?«, fragte ich und lehnte mich zurück, um mit ihr über die Details zu verhandeln.
»Das weiß ich noch nicht. Aber es ist eine Ehrenschuld, klar? Wenn ich das hier für dich mache, habe ich etwas bei dir gut.«
Mir war nicht ganz wohl bei der Vorstellung, dass eine solche Schuld auf meinen Schultern lastete, aber der Gedanke, dass es meiner Mutter vielleicht nicht gut ging, war viel beunruhigender. »Einverstanden. Kannst du mir sagen, wo sie ist?«
Sie zuckte mit den Schultern, stand auf und kramte in der Schublade unter der Couch. »Das weiß ich erst, wenn ich es versuche. Kurt, die Räuchermischung! Nein, nicht die! Ich brauche die für Klarheit.«
Ich beobachtete gespannt, wie Absinthe und Kurt den runden Tisch herrichteten. Absinthe legte ein scharlachrotes Tuch mit goldenem Muster darauf und strich es glatt, bevor sie einen Räuchermittelhalter in der Gestalt eines Drachen darauf stellte. Der durchdringende Geruch – es musste sehr viel Rosmarin in der Mischung sein – brannte mir in der Nase, doch eine Kristallkugel oder eine Schüssel mit Wasser holte Absinthe zu meiner Überraschung nicht herbei. Sie setzte sich einfach an den Tisch, zeichnete mit den Fingern die goldene Stickerei auf dem Tuch nach und starrte ins Leere.
»Was möchtest du wissen?«, fragte sie nach ein paar Minuten.
»Wie es meiner Mutter geht. Ob sie verletzt ist oder verängstigt oder … Schlimmeres.«
»Sie ist glücklich.«
Mir fiel die Kinnlade herunter. »Glücklich?«
»Sie ist umgeben von Liebe. Es geht ihr gut.«
Du liebe Göttin, was hatte Loki Seltsames mit meiner Mutter angestellt? Hatte er sie etwa dazu gebracht, sich in ihn zu verlieben? »Wo ist sie? Ist sie hier in der Nähe?«
Absinthe starrte einige Sekunden lang auf das Tuch, dann schüttelte sie den Kopf. »Das kann ich nicht sehen. Ich spüre nur, dass sie da, wo sie ist, glücklich ist.«
»Ist sie mit einem Mann zusammen? Hat er rotes Haar? Ist er ein nordischer Gott?«
»Ich kann nicht sehen, wer bei ihr ist, aber ich spüre die Anwesenheit einer anderen Person. Genaueres erkenne ich nicht … Doch, jetzt sehe ich den Schatten von jemandem. Er reicht Miranda ein Glas Wein. Sie wirft ihm eine Kusshand zu.«
»Heiliger Bimbam.« Peter hatte recht gehabt. Meine Mutter war tatsächlich mit einem Mann durchgebrannt! Ich konnte es nicht fassen.
Absinthe sah von dem Tisch auf und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Ich kann die Verbindung nicht mehr halten. Sie ist weg.«
»Verstehe. Na, dann … vielen Dank«, sagte ich und stand auf.
Sie zog ihre dünnen Augenbrauen hoch. »Du scheinst dich nicht besonders darüber zu freuen, dass es deiner Mutter gut geht und sie glücklich ist.«
»Doch, ich freue mich. Und ich bin auch sehr erleichtert, weil ich schon das Schlimmste befürchtet hatte. Es kommt nur so … überraschend. Es sieht ihr nicht ähnlich, einfach abzuhauen, ohne jemandem Bescheid zu sagen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Sie wird älter. Sie lernt einen Mann kennen, und er will sie, und sie weiß, dass sie sich nicht lange zieren sollte. Also haut sie mit ihm ab. Das ist kein bisschen überraschend.«
Ich verkniff es mir, ihr zu sagen, dass meine Mutter so etwas einfach nicht tat, denn es war offensichtlich, dass sie es tat. Trotzdem war es eigentlich nicht ihre Art.
Wie die innere Fran anmerkte, konnte man dasselbe auch über die Tatsache sagen, dass sie die Existenz meiner Halbschwester vor mir verheimlicht hatte.
Ich bedankte mich noch einmal bei Absinthe, nickte, als sie mich daran erinnerte, dass ich in ihrer Schuld stand, und floh aus dem rosmarinverräucherten Wohnwagen. Von der Bürde, meine Mutter aus einer gefährlichen Situation retten zu müssen, war ich zwar nun befreit, aber ich wollte die Dinge trotzdem nicht auf sich beruhen lassen. Dafür war ich zu neugierig. Ich musste sie finden und sei es nur aus dem Grund, dass ich sehen wollte, wer der Mann war, der sie von ihrem geliebten Gothic-Markt weggelockt hatte.
Ich ging zu Fuß in die Stadt und dachte unterwegs darüber nach, wie sonderbar es war, dass meine Mutter Facetten hatte, die ich überhaupt nicht kannte. Nachdem ich dieses Thema durchgekaut und zurückgestellt hatte, um es später noch einmal anzugehen, mir vorgenommen hatte, die Nummer des örtlichen Taxiunternehmens zu notieren, und zu dem Schluss gekommen war, dass ich die Polizei lieber doch nicht auf die Spur meiner Mutter ansetzen wollte, war mir ziemlich warm, und ich hatte mindestens
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