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Ein Vampir ist nicht genug - Roman

Titel: Ein Vampir ist nicht genug - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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leicht bekleidet sind und die Drinks wie saure Limonade schmecken.
    »Vayl?«
    »Der Laden heißt ›Cassandras Naturkost‹, nach der Frau, der er gehört. Es ist ein kleiner Bio-Laden.«
    »Gute Tarnung«, sagte ich langsam und wurde immer wütender über Vayls Zögerlichkeit. Hatten wir nicht gerade einen dieser ganz wichtigen Momente erlebt? Was zur Hölle versteckte er vor mir? »Und was passiert, wenn man Cassandra ein besonderes Trinkgeld gibt?«, fragte ich.
    »Dann nimmt sie einen mit nach oben und macht eine Sitzung.«
    »Eine … was?«
    »Sie ist ein Medium. Sie nimmt deine Hand, liest aus den Teeblättern oder legt dir die Karten. Was immer du willst.«

    Ich ließ mich auf die Couch zurücksinken und murmelte: »Unglaublich. Nach allem, was gerade zwischen uns passiert ist … nein, ich habe kein Recht dazu. Überhaupt keins. Ich muss …«
    »Wovon zur Hölle redest du?«
    Ich sprang auf. »Ich habe deine Geheimnisse und Ausreden so satt, dass ich kotzen könnte!«
    Vayls Augen wurden schwarz. Er sah aus wie ein Drill-Sergeant, der gleich Liegestütze einfordern würde. »Du überschreitest deine Grenzen«, sagte er langsam und deutlich, damit auch jeder neurotische Idiot es verstehen konnte.
    »Das denke ich nicht! Du arbeitest ein halbes Jahr lang mit mir, bevor du mir auch nur eine logische Erklärung dafür lieferst, warum du mich überhaupt angefordert hast. Du steckst mir Cirilai an den Finger und verkündest dann vor deiner Ex , dass ich deine avhar sei. Du erzählst mir, du wärest jemandem begegnet, der ein williger Spender sein könnte, und dann dieses Medium …«
    »Eigentlich ist sie diejenige, an die ich dabei dachte.«
    »Entweder du vertraust mir, oder du tust es nicht, Vayl. Ich bin es leid, immer alles als Letzte zu erfahren!«
    Vayl setzte sich mir gegenüber hin. »Also schön«, murmelte er. »Wenn du alles wissen willst, werde ich dir alles sagen.« Er warf mir einen unheilvollen Blick zu. »Auch wenn ich glaube, dass du zu viel verlangst, doch du bist meine avhar .«
    »Es gibt eine Theorie«, fuhr er fort, »auf die ich große Stücke halte, und sie besagt, dass nichts vollständig zerstört werden kann. Alles, was jemals existiert hat, wird in irgendeiner Form weiter bestehen bleiben. Das gilt für Seelen ebenso wie für Wasser oder Holz.« Er räusperte sich. Hätte er eine Krawatte getragen, hätte er sie jetzt gelockert.
»Ich glaube, dass meine Söhne heute noch irgendwo existieren, so wie sie es getan haben, als sie 1751 gestorben sind. Ich glaube, dass sie physisch irgendwo auf dieser Welt leben, also suche ich überall, wo ich hinkomme, eine Seherin auf, in der Hoffnung, dass ich ihnen so ein Stück näher komme. In der Hoffnung, sie wiederzusehen.«
    »Du willst sagen … du glaubst, dass sie reinkarniert wurden?«
    Er nickte. »Mir wurde gesagt, dass wir in Amerika wieder zusammenfinden würden. Deswegen bin ich hierhergekommen.«
    »Was … was wirst du …« Ich zögerte. Wie konnte ich die Frage stellen, ohne ihm noch mehr Schmerzen zuzufügen? »Du willst sie also treffen? Dich mit ihnen anfreunden? Wie ein … Vater für sie sein?«
    »Ich bin ihr Vater!«, fauchte er. »Das ist die eine, unanfechtbare Wahrheit meiner Existenz.«
    Ich hielt den Mund. Dann sagte ich nur noch: »Cassandras ist gut.«
    Er stand auf. »Frag sie nach den Zeichen, die man auf der Leiche von Amanda Assans Bruder gefunden hat. Sie beschäftigt sich so mit alten Sprachen, wie du Karten mischst.« Also obsessiv. »Sie wird vielleicht eine Weile brauchen, aber sie wird nicht aufgeben, bis sie eine Übersetzung gefunden hat.«
    »Okay.«
    »Es dämmert schon.«
    »Ja.«
    Er schob die Hände in die Hosentaschen. In diesem Moment hätte keine größere Distanz zwischen uns herrschen können, selbst wenn wir auf verschiedenen Seiten des Pazifiks gestanden hätten. Das tat mir leid. Und
gleichzeitig war ich dankbar. »Also«, sagte er, »gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Er bewegte sich so lautlos, dass ich nicht mitgekriegt hätte, wie er in seinem Schlafzimmer verschwand und die Tür schloss, wenn ich es nicht beobachtet hätte. Falls Vampire träumten, und falls es ein Trost für ihn war, wünschte ich ihm, dass er von seinen Söhnen träumen mochte.

14
    I ch schob das Telefon ans andere Ohr und schüttelte die Hand aus, mit der ich es gehalten hatte. Ich hatte das Ding so fest umklammert, dass ich jetzt Muskelkrämpfe bekam, aber so war ich nicht in Versuchung, auf eine Wand einzuschlagen.

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