Ein verboterner Kuss
denn als sie anfingen, die Betten zu machen, sagte sie: „Weißt du, ich wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, als er sich das Hemd ausgezogen hat. Er trug nicht einmal ein Unterhemd. So etwas Schockierendes habe ich noch nie im Leben gesehen. Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen sollte! “
„Ja, er hat überhaupt keine Manieren“, stimmte Grace zu. Sie hatte hingesehen. Sie hatte sich gar nicht satt sehen können an dieser sonnengebräunten Brust. So samtig, warm und kräftig. Am liebsten hätte sie mit den Fingern darüber gestrichen. Und er hatte das natürlich sofort gemerkt, dieser Teufel! Er hatte sie dabei ertappt, wie sie ihn angestarrt hatte, und sein Lächeln war träge, durchtrieben und voller männlicher Selbstzufriedenheit gewesen.
Sie schüttelte den Kopf. Er hatte nicht das Recht, halb nackt herumzulaufen. Er war wirklich ein grauenhafter Mensch! Mit grauenhaften Manieren.
„Dieses Haus ist in einem entsetzlichen Zustand!“ Grace schüttelte gekonnt und energisch die Laken aus. Allen Merridew-Mädchen waren die grundlegenden Hausarbeiten von klein auf eingebläut worden. „Wie konnte er hierher nur Gäste einladen? Er hätte wenigstens vorher die Zimmer reinigen lassen können!“ Sie zeigte entrüstet um sich.
Melly machte ein verlegenes Gesicht. „Eigentlich hat uns Lord D Acre gar nicht eingeladen. Es war Papas Idee, hierher zu fahren.“
„Wie bitte? Ohne Einladung?“ Grace setzte sich auf das Bett, das sie gerade hatte machen wollen, und starrte ihre Freundin verblüfft an. „Melly Pettifer, dein Vater ist einer der korrektesten Männer, die ich kenne. Was ist ihm bloß eingefallen, sich selbst unaufgefordert in ein heruntergekommenes, verlassenes Schloss einzuladen?“
Melly schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich glaube ..." Sie verstummte.
„Du glaubst was?“
Melly wurde noch verlegener. „Papa glaubt wohl, wenn er Lord DAcre zwingt, mich hier zu heiraten, wo er nicht so leicht verschwinden kann wie in London, würde er ...“, sie errötete, „... würde er vielleicht seine Meinung ändern.“ „Und eine richtige Ehe führen, meinst du?“
Melly deutete befangen ein Nicken an. „Du kennst Papa -er ist ein wenig weltfremd. Er hält mich für hübsch und sagt, Lord DAcre könnte meinem ...“ Ihr rundes Gesicht verzog sich. „Er könnte meinem Charme nicht widerstehen.“
Grace umarmte ihre Freundin. „Aber du hast wirklich Charme, Melly“, beteuerte sie. Melly war treu, liebevoll und sanftmütig. Sie würde eine wundervolle Ehefrau und Mutter abgeben. Wenn auch vielleicht nicht für Lord DAcre ...
Melly war nicht überzeugt und schluchzte. Nach einer Weile fasste sie sich jedoch und sah zur Tür gegenüber. „Glaubst du, sie sind jetzt mit Papas Untersuchung fertig?“
Grace tätschelte ihr aufmunternd die Wange. „Klopf an und frag. Ich mache hier die Betten fertig, dann gehe ich nach unten und sehe nach, ob ich irgendwo heißes Wasser auftreiben kann. “
„O ja, bitte, ich hätte zu gern eine Tasse Tee“, rief Melly mit einem noch etwas unsicheren Lächeln aus. „Ich frage mich, wer heute Abend für uns kochen wird? Ich habe großen Hunger.“
„Ich sehe zu, was ich machen kann“, versicherte Grace. Eine Tasse Tee zu kochen traute sie sich gerade noch zu, aber ein Abendessen?
Melly hatte nur gelernt, Bediensteten Anweisungen zu erteilen; sie verfügte über keinerlei praktische Fähigkeiten außer dem Nähen. Grace wiederum konnte wunderbar Betten beziehen, aber kochen ...
Trotzdem mussten sie etwas essen. Irgendjemand würde sich etwas einfallen lassen müssen.
Als Melly die Hand hob, um anzuklopfen, ging die Tür zu Sir Johns Zimmer auf und Lord DAcre kam heraus. „Der Arzt ist fertig. Sie können jetzt hineingehen, Miss Pettifer.“
Melly schob sich an ihm vorbei und ließ Grace allein mit Lord DAcre zurück. Besser gesagt, mit dem Anblick seiner beeindruckend nackten Brust.
Oder eher - mit seiner nackten beeindruckenden Brust?
Nackt war sie auf jeden Fall. Und beeindruckend ebenfalls -breit, kräftig und sonnenverwöhnt. Es war nicht so, als hätte sie Vergleichsmöglichkeiten gehabt, außer anhand von Marmorstatuen. Aber Marmor ließ sich einfach nicht mit warmer, straffer Haut vergleichen.
Er hätte wenigstens die Zeit nutzen und sich ein Hemd überziehen können, dachte sie. Sein ganzer Oberkörper war nackt. Sogar noch nackter als zuvor, weil er jetzt keinen alten Mann mehr auf den Armen hatte, und er ging geradezu schamlos
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