Ein verboterner Kuss
und ging weiter den Flur hinunter. Sie sah ihm nach und bewunderte die ausgreifenden Schritte seiner langen Beine. Der Anblick seiner nackten Schultern und seines Rückens war prachtvoll.
Ihn waschen, also wirklich. Sie schnaubte leise und unterdrückte ein Schmunzeln. Was für einen Unsinn dieser Mann redete!
Während sie die Küche suchte, ging ihr immer wieder nur eine Frage durch den Kopf. Wie war es möglich, dass ein Mann in seinem Alter - er musste an die dreißig sein, schätzte sie -noch nie das Haus seines Vaters gesehen hatte? Das war ihr ein Rätsel. Er war ihr ein Rätsel. In einem Augenblick ganz verschmitzt und zu Scherzen aufgelegt, im nächsten in sich gekehrt und verschlossen.
Und, o ja, wie sehr sie sich in jeder Hinsicht von ihm angezogen fühlte ...
Irgendwann fand Grace die Küche dann doch und sah sich bedrückt darin um. Sie war ein mit Steinplatten ausgelegter, riesiger Raum und unvorstellbar altmodisch. Grace konnte sich mühelos vorstellen, wie hier ein mittelalterliches Bankett vorbereitet wurde, mit ganzen Schweinen und Hammeln auf Bratspießen und gewaltigen, brodelnden Kesseln über der Feuerstelle. Aber eine ganz normale Mahlzeit ... Es gab nicht einmal einen richtigen Kochherd. Sie würde ein Feuer machen und dann irgendeinen Topf darüber hängen müssen.
Ihre Schwester Faith hatte ihr einmal erzählt, wie die Soldatenfrauen, die mit der Armee über die Iberische Halbinsel gezogen waren, gelernt hatten, sich von dem zu ernähren, was das Land hergab, weil die Armeeverpflegung nie zuverlässig gestellt werden konnte. Faith schien das für eine kluge und nützliche Fähigkeit zu halten. Damals hatte Grace nicht allzu viel davon gehalten.
Erst jetzt, mit knurrendem Magen, erkannte sie, wie recht Faith gehabt hatte. Melly, Sir John und sie selbst mussten irgendetwas essen, und es gab keinerlei Hinweis, dass Lord D Acre sich darum kümmern würde.
Ihr fiel der Küchengarten draußen wieder ein. Dort gab es bestimmt Gemüse. Aus Gemüse konnte man eine Suppe kochen. War sie mit diesem Gedanken dazu imstande, mit einer Armee zu ziehen? Konnte sie ihre Familie versorgen? Natürlich konnte sie das. Sie war Grace Merridew, die geborene Suppenköchin!
Als kleines Mädchen hatte sie der Köchin hundertmal zugesehen, auch wenn sie selbst unter deren strenger Aufsicht immer nur Plätzchen hatte ausstechen dürfen. Aber wie schwer konnte es schon sein, eine Suppe zuzubereiten? Gemüse schneiden, kochen, umrühren - das war mit Sicherheit alles.
Sie eilte hinaus in den von einer Mauer umgebenen Küchengarten. Auf den ersten Blick sah sie dort nur Unkraut, doch dann entdeckte sie tatsächlich ein paar Kräuter, wild überwuchert zwar, aber noch zu gebrauchen. Sie pflückte Kerbel, Thymian und Petersilie.
Die genauere Überprüfung eines fedrigen Büschels von Grünzeug brachte ein paar seltsam geformte Möhren zum Vorschein. Mutiger geworden zog sie weiteres Grün aus dem Boden und stieß dabei auf ein paar Kartoffeln und eine Steckrübe. Zusammen mit der Gerste und den schon etwas schrumpeligen Zwiebeln, die sie in der Vorratskammer entdeckt hatte, würden diese Sachen bestimmt eine schmackhafte Suppe ergeben.
Grace brachte das Gemüse in die Spülküche, schrubbte es sauber und legte es befriedigt auf den Küchentisch.
Sie sah auf die große, leere Feuerstelle und stellte leicht entmutigt fest, dass vor Grace Merridew, der Suppenköchin, erst Grace Merridew, die Feuermacherin, tätig werden musste. Wie ärgerlich. Hier in der Küche war kein Feuerholz vorbereitet worden, das man einfach nur noch anzuzünden brauchte wie in Sir Johns Zimmer. Sie konnte nicht einmal einen Kohleneimer finden.
Dennoch musste sie irgendwas Brennbares finden, ein paar Holzscheite vielleicht, und sie konnte nur hoffen, dass sie während des Gewitters nicht nass geworden waren. Sie zündete eine Laterne an und ging nach draußen, um die Nebengebäude zu durchsuchen. Gleich das erste war voller Spinnweben, aber zu Grace’ Erleichterung entdeckte sie einen großen Stapel trockenes Holz, einen Hauklotz und eine Axt darin. Ein paar Holzspäne lagen um den Klotz herum, aber sie reichten bei Weitem nicht aus, um ein Feuer anzuzünden. Und die Holzscheite im Stapel waren riesig - sie hätte sie niemals tragen können.
Betroffen sah sie auf die Axt, dann atmete sie tief durch. Sie wollte die Welt bereisen und Abenteuer erleben, da sollte sie doch auch in der Lage sein, Feuer zu machen. Grace Merridew, die
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