Ein verboterner Kuss
keine?“
Grace schlug unwillkürlich die Hände vor die Brust.
Sein Blick folgte dieser Bewegung. „Dort, meinen Sie?“ Er sah anzüglich auf Ihre Taille. „Oder weiter unten? An Ihren Waden jedenfalls nicht, so viel weiß ich bereits.“ Er schmunzelte durchtrieben. „Nun, wir werden ja sehen.“
„Nur über meine Leiche!“
Er lachte leise. „Aber nein, im Gegenteil, Sie werden dabei äußerst lebendig sein, Greystoke. Acht Minuten.“ Damit schloss er die Tür hinter sich.
5. Kapitel
Fragt Euer Herz, klopft an die eigene Brust, ob nichts drin wohnt.
William Shakespeare
Ganze dreißig Sekunden überlegte Grace, ob sie die Probe aufs Exempel machen sollte. Er würde sie nicht im Emst ausziehen. Oder doch? So schändlich konnte er sich unmöglich benehmen. Schließlich war sie eine Merrid... Sie schrak zusammen. Sie war nicht Miss Merridew, eine von den Merridews aus Norfolk. Für ihn war sie nur irgendeine Gesellschaftsdame. Und für viele Gentlemen waren Bedienstete Freiwild.
Es würde ihm wirklich Spaß machen, diesem Schuft! Hastig begann sie, ihr nasses Kleid aufzuknöpfen.
Während sie die geschlossene Küchentür wachsam im Blick hielt, durchsuchte sie ihren Koffer. Sie weigerte sich, eins der Kleidungsstücke anzuziehen, die er angefasst hatte. Allein bei dem Gedanken an seine kräftigen braunen Finger, mit denen er ihre spitzenbesetzte Unterwäsche berührt hatte, wurde ihr heiß - vor Zorn!
Sie streifte ihre nassen Sachen ab, schlüpfte in trockene und verwünschte ihn mit allen erdenklichen Schimpfwörtern, die ihr einfielen. Es schien nicht annähernd genug Worte zu geben, die seiner Niedertracht gerecht werden konnten.
Sie schloss den letzten Knopf mit einem gemischten Gefühl aus Triumph und ... Ernüchterung? Nein, eher Erleichterung. Die Tür war geschlossen geblieben. So schnell hatte sie sich noch nie im Leben umgezogen, eine Minute war sogar noch übrig.
Sie setzte eine gelassene Miene auf und sah sich nach etwas um, womit sie sich beschäftigen konnte. Sie würde ihm nicht die Genugtuung schenken und sich anmerken lassen, dass er sie aus der Fassung gebracht hatte. Die Suppe!
Sie schälte die Möhren und schnitt sie in kleine Stücke. Das Schneiden fiel ihr etwas schwer mit ihrer schmerzenden Hand, auch waren die Möhren ziemlich holzig. Nun, beim Kochen würden sie hoffentlich weicher werden. Sie hackte Kräuter. Zum Glück hatte der Splitter in ihrer linken Hand gesteckt. Sie griff nach der Zwiebel und wollte sie schon schälen, da legte sie sie wieder auf den Tisch. Wenn dieser Teufel sie mit tränenden Augen sah, würde er noch denken, er hätte sie zum Weinen gebracht, und diesen Gefallen wollte sie ihm keinesfalls tun. Er hatte nicht die Macht, sie zum Weinen zu bringen. Kein Mann hatte diese Macht.
Sie fand einen Topf und schöpfte heißes Wasser aus dem Kessel hinein. Sie wartete, bis es zu kochen anfing, dann gab sie die Möhren hinzu und rührte sie um. Die Stücke dümpelten holzig im Wasser. Grace bedeckte sie mit den Kräutern.
Inzwischen mussten mehr als fünfzehn Minuten vergangen sein. Dieser Unmensch! Sie wandte sich wieder dem Gemüse zu.
Nach weiteren zehn Minuten ging die Küchentür auf und der Unmensch kam herein. Er hatte sich ein frisches Hemd und eine saubere Reithose aus Hirschleder angezogen - ein Glück! Diese schmiegte sich bei Weitem nicht so an seinen Körper wie die nasse vorhin. Er hatte sich das Haar nach hinten gekämmt, aber es war zu lang, und eine Strähne fiel ihm ins Gesicht. An ihrem Ende schimmerte ein Wassertropfen. Als ob Grace das interessiert hätte.
„Miss Pettifer wundert sich, wo ihr Tee bleibt, und der Doktor hätte seinen gern ohne Milch, aber mit zwei Löffeln Zucker.“
Grace sah ihn finster an. Sie hatte ganz den Tee vergessen, nach dem Melly sich so sehnte. Sie griff nach einer braunen Tonteekanne und stellte sie geräuschvoll auf den Tisch. Er hatte sie gar nicht auf ihr Kleid angesprochen oder auf ... irgendetwas.
Wie eine träge Raubkatze schlenderte er zu ihr. Ihr Puls-schlag beschleunigte sich, aber sie würdigte ihn keines Blickes. So gelassen wie möglich gab sie die Teeblätter in die Kanne. Sie würde sich nichts anmerken lassen, auf gar keinen Fall.
Seine Mundwinkel zuckten. „Miss Pettifer mag ihren Tee wohl gern sehr stark?“
Verflixt! Sie wusste nicht mehr, wie viele Löffel Tee sie in die Kanne gegeben hatte. Grace sah ihn unschuldsvoll an. „Ja, so ist es“, log sie. Dieser Wassertropfen war
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