Ein verboterner Kuss
sie doch nicht! Sie ist überhaupt nicht mit Gussie verwandt.“
„Aber warum reden wir dann über Gussie?“, erkundigte Dominic sich geduldig. „Ich hatte nach Miss Greystoke gefragt.“ „Gussie ist Patronin eines Waisenhauses für Mädchen. Dort werden die Gören unterrichtet und später zu Dienstboten für die höhere Gesellschaft ausgebildet. Manche von ihnen haben sich ganz passabel gemacht.“ Sir John hustete, nahm etwas von seinem Stärkungsmittel zu sich und fuhr mit seiner Erklärung fort. „Fast in jedem guten Haus arbeitet eine von Gussies Waisen, wir haben Greystoke. Sie hat noch ihre Ecken und Kanten, aber das bekommen wir in den Griff.“ Er warf Dominic plötzlich einen misstrauischen Blick zu. „Warum interessieren Sie sich so für Greystoke? Ich verbiete Ihnen, Schande über meine Melly zu bringen, indem Sie ihrer Gesellschaftsdame nachstellen. “
Dominic wollte das schon empört von sich weisen, als ihm klar wurde, dass es stimmte. Und wenn Sir John sich schon so sehr daran störte ... konnte er eigentlich noch Öl ins Feuer gießen. Er betrachtete angelegentlich seine Fingernägel. „Hübsches kleines Ding“, meinte er mit gelangweilter Stimme. „Ich war neugierig über ihre Herkunft. Sie ist so gar nicht der Typ für eine Gesellschaftsdame. “
„Doch, das ist sie.“ Sir John sah ihn aufgebracht an. „Ich verbiete Ihnen, sich diesem Mädchen zu nähern! Sie sind mit meiner Tochter verlobt, verdammt!“
„Dann sollte Ihre Tochter sich wohl lieber schon einmal daran gewöhnen, nicht wahr?“, gab Dominic kalt zurück. „Was sagten Sie eben über einen Mann, der jedem Weiberrock nachjagt, außer dem, den er zu Hause hat? Wenn Sie weiterhin versuchen, diese Heirat zu erzwingen, wird das genau das Schicksal sein, das Ihre Tochter erwartet. Schlafen Sie einmal darüber, Sir John.“ Er verneigte sich und verließ das Zimmer.
Dominic schritt langsam die uralte Steintreppe hinunter. Seit Greystoke ihn auf die ausgetretenen Stellen aufmerksam gemacht hatte, bemerkte er sie jedes Mal. Es war eine Sache zu wissen, dass seine Vorfahren so lange in Wolfestone gelebt hatten, aber es war eine ganz andere, seine Füße genau in die Spuren zu setzen, die seine Ahnen hinterlassen hatten. Er verspürte eine ... Verbundenheit, verdammt!
Es wäre besser oder wenigstens einfacher gewesen, wenn er gar nicht erst hierhergekommen wäre.
„He, Henry, hilf uns mal, ja?“, ertönte eine Männerstimme von unten. Ein gellender weiblicher Aufschrei folgte.
Dominic eilte die lange, geschwungene Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal überspringend. Und dann blieb er bei dem Anblick, der sich ihm da unten bot, abrupt stehen.
Die Halle war voller Menschen. Ein Mann stand auf einer Leiter und benutzte einen Besen, um Spinnweben unter der Decke zu beseitigen.
„Pass doch auf, wem du die Spinnen auf den Kopf fallen lässt, Jem Davies! “, rief eine Frau empört aus. Das ist wohl die Erklärung für den Schrei, dachte Dominic.
Außer dem Spinnenjäger und seinem Opfer waren zwei weitere Frauen anwesend, die mit Bürsten den Fußboden am anderen Ende der Halle bearbeiteten. Aus einem Raum, der von der Halle abging, waren lautes Knallen und Rufen zu hören.
„’Tschuldigung, Mylord.“ Dominic drückte sich an das steinerne Geländer, als zwei Männer eine große, staubige und dreibeinige Frisierkommode die Treppe hinunter und aus dem Haus trugen. Er duckte sich, als ein Junge ihnen nacheilte. Er hatte sich ein paar lange Gardinenstangen und das fehlende Kommodenbein unter die Arme geklemmt.
„Vorsicht mit den Stangen da, Billy!“, rief eine der Frauen, aber es war schon zu spät. Als der Junge den Ausgang ansteuerte, fiel ihm eine der Stangen hinunter und landete auf einem schmalen Tisch, auf dem eine Porzellanvase mit Rosen stand. Die Vase zerschellte am Boden - und Rosen und Wasser verteilten sich überall.
Dominic starrte die Rosen an. Sogar von hier aus, wo er stand, konnte er ihren Duft wahrnehmen. Dieser Duft führte ihn zurück in die Vergangenheit. Er war wieder sieben Jahre alt und in Neapel ...
„Du tollpatschiger kleiner ... “, fing eine der Frauen an, doch Billy hob rasch die Stange auf und flüchtete, bevor er bestraft werden konnte.
Die letzten Stufen legte Dominic mit zunehmender Gereiztheit zurück. Er hatte ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass die Leute, die er eingestellt hatte, nicht mehr tun sollten, als das Haus für seine ungebetenen Gäste mehr oder weniger
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