Ein verboterner Kuss
Gefallen an ihm. Englische Landbewohner neigen dazu, sehr engstirnig zu sein. Hier in der Gegend nennt man die Einwohner von Shrewsbury Ausländer, dabei liegt das nur dreiundzwanzig Meilen entfernt.“
Dominic zuckte die Achseln. „Es ist mir gleich, was sie von Abdul halten. Er ist nicht hier, um gemocht zu werden, sondern um seine Arbeit zu machen - den Besitz in einen Zustand zu bringen, in dem er den besten Preis beim Verkauf erzielt.“ Betrübt schüttelte Podmore den Kopf. „Ich fürchte, es wird Schwierigkeiten geben. Könnten Sie ihn nicht dazu bringen, sich etwas weniger ... exotisch zu kleiden? Und sich zu rasieren, damit er nicht ganz so wild aussieht?“
„Nein, über seine Aufmachung hat ganz allein er zu entscheiden.“
Podmore strich nachdenklich mit der Hand über die Papiere vor sich. „Dann wäre es eventuell besser, wenn ich Personal für Sie einstelle, nicht Abdul. Wenn das Anwesen so vernachlässigt ist, wie Sie sagen, brauchen wir ... “
„Machen Sie sich nicht die Mühe. Während wir uns hier unterhalten, schrubben bereits fünfzig Leute das Schloss vom Dachboden bis zum Keller“, teilte Dominic ihm mit. Er erhob sich und nahm seine Wanderung im Zimmer wieder auf. „Und ehe Sie mich zu meiner Entschlusskraft beglückwünschen -das Ganze ist ein verdammtes Ärgernis. Miss Pettifers Gesellschaftsdame hat es zu ihrer Aufgabe gemacht, eine ganze Armee von Einheimischen zu versammeln, die jetzt putzen, reparieren und polieren.“
Podmore legte die Stirn in Falten. „Eine Gesellschaftsdame hat Personal eingestellt?“
Dominic schnaubte. „Ja, aber sie ist auch die ungewöhnlichste Gesellschaftsdame, die ich je gesehen habe. Zuerst einmal hat sie keinerlei Respekt vor Ranghöheren, geht rücksichtslos über meine Empfindlichkeiten hinweg, kommandiert ihre Herrin herum und beschützt sie gleichzeitig wie eine Tigerin ihr Junges. Sie füllt mein Haus mit einheimischen Bauerntrampeln, lässt sie putzen - in meinem Haus, wohlgemerkt -, und als ich sie gefragt habe, wer sie denn bezahlen solle, hat sie mir freundlich mitgeteilt, dass sie die Löhne entrichten würde, falls ich mir das nicht leisten könnte! “ Er schnaubte erneut.
„Eine ältere Frau, vermute ich?“, erkundigte Podmore sich diskret.
„Nein, ganz und gar nicht.“
„Ach.“ Podmore verschränkte die Hände und betrachtete sie ernsthaft. „Wie alt ist diese Gesellschaftsdame denn?“ Dominic machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich weiß es nicht. Jung. Ungefähr genauso alt wie Miss Pettifer, denke ich. Sir John meinte, sie wäre noch Anfängerin in diesem Beruf und gehörte zu .Gussies Mädchen“, was immer das auch sein mag ... “
„Lady Augusta Merridew. Sie interessiert sich für weibliche Waisen und hat schon einige bemerkenswerte wohltätige Werke ...“
„Aber so wie dieses Mädchen mit Miss Pettifer redet, könnte man meinen, dass es sie schon seit Jahren kennt. Die meiste Zeit nennt sie sie sogar Melly! Nicht Miss Pettifer! Sie hat wirklich überhaupt keinen Respekt.“ Er merkte, dass er ins Schwadronieren geraten war und setzte sich wieder hin.
Podmore bedachte ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick. „Ich nehme an, sie ist hübsch.“
Dominic runzelte die Stirn. „Hübsch? Natürlich ist sie ... Was spielt das für eine Rolle, ob sie hübsch ist? Das hat doch mit dem allen hier nicht das Geringste zu tun.“
Der Anwalt lächelte. „Nein, natürlich nicht.“
10. Kapitel
Manchmal ist es tröstlich, seine Sorgen mit jemandem zu teilen.
Pierre Corneille
Am späten Nachmittag spürte Grace allmählich, wie anstrengend dieser Tag war. Das Beantworten der vielen Fragen und das Lösen von Problemen hatten sie müde gemacht. Je mehr sie sich umsah, desto mehr Arbeit schien es noch zu geben. Ihre Arme und Beine taten ihr weh. Es war heiß, sie war schmutzig, staubig und erschöpft. Sie sehnte sich nach einem ausgiebigen, heißen Bad, aber auch das hätte erst wieder organisiert werden müssen. Wasser musste heiß gemacht werden, und das nahm Zeit in Anspruch. Außerdem gab es nur eine kleine Sitzwanne, und Grace wollte ganz im warmen Wasser versinken. Und dann all diese Fragen, die man ihr unweigerlich stellen würde, warum sie am helllichten Tag baden wollte. Noch dazu war nicht einmal Samstag!
Nein, ein Bad war zu umständlich. Was sie allerdings tun konnte ... Genau, warum sollte sie nicht zum Schwimmen gehen? Sie konnte schwimmen. Als ihre Schwester Faith mit ihrem
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