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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Callen
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musterte. Sie lächelte. »Nichts. Außer vielleicht Mr Stubbes Gesellschaft zu leisten, wenn er das möchte.«
    Alice kam als Erste wieder zurück und reichte Rebecca mehrere Kräuterstängel. Während die beiden Männer sich leise in einer Ecke unterhielten, kochte sie den Thymian und wies die Mutter an, den Jungen in die Nähe des Dampfes zu halten, während sie den Sud zubereitete. Sie nahm etwas von dem Thymian, zerstieß ihn in einem Mörser, gab heißes Wasser dazu und rührte einen Brei an, den sie auf die Brust des Jungen strich. Nachdem der restliche Thymian lange genug gezogen hatte, ließ sie die Flüssigkeit abkühlen und gab zum Süßen etwas Honig dazu. Die Atmung des Jungen war durch den inhalierten Dampf bereits deutlich besser geworden, und er war in der Lage, die abgekühlte Flüssigkeit in kleinen Schlucken zu sich zu nehmen.
    So saßen sie alle beisammen, während der Raum durch den Wasserdampf immer heißer wurde. Doch dem Jungen schien es zu helfen: Seine Atmung wurde allmählich leichter, und er konnte endlich einschlafen.
    Mrs Stubbes beugte sich über ihn, um ihn zu küssen, und Tränen fielen in sein Haar. »Danke, Mrs Hill«, sagte sie leise. »Ich werd Ihnen Ihre Freundlichkeit nie vergessen.«
    Rebecca wurde vor Verlegenheit ganz heiß. »Ich bin froh, dass ich helfen konnte. In meiner Kindheit hatte ich ständig diese Beschwerden. Was ich damals gelernt habe, hat sich jetzt als nützlich erwiesen.«
    »Und wird’s wieder, wenn Sie mal eigene Kinder haben.«
    Eigentlich wollte Rebecca nicht in Julians Richtung schauen, aber sie tat es fast automatisch und lächelte ihn schüchtern an, wie es wohl eine junge Ehefrau tun würde. Der Gedanke an Kinder schien ihr noch so weit weg. Zumindest hatte sie nie darüber nachgedacht, weil sie ja nicht heiraten wollte. Plötzlich jedoch war die Vorstellung, einen dunkelhaarigen Säugling an ihre Brust zu drücken, gar nicht mehr so unvorstellbar.
    »Du warst wunderbar.«
    Rebecca ruhte warm und geborgen auf dem Heuboden in Julians starken Armen und lächelte über das Erstaunen, das in seiner Stimme mitschwang. »Ich habe die Behandlung nicht erfunden, Julian. Sie wurde nur so häufig bei mir angewandt, dass ich sie in- und auswendig kenne.«
    »Allein dein Auftreten hat beide beruhigt. Du wirktest so fachkundig, so überzeugt davon, dass es dem Jungen bald wieder besser gehen würde.«
    »Das war wichtig. Ich musste sie beruhigen, damit sie ihre Angst nicht auf den Kleinen übertrugen.«
    Er küsste sie auf den Scheitel. »Ich finde immer noch, dass du wunderbar warst.«
    »Und das gefällt mir.« Ihr Lächeln verblasste. »Julian, ich finde mich gar nicht großartig, wenn ich mir anschaue, was Leute wie die Stubbes alles leisten müssen, um mit ihrer Hände Arbeit die ganze Familie zu versorgen. Angesichts ihres Mutes komme ich mir sehr selbstsüchtig vor.«
    Er drückte sie kurz. »Rebecca …«
    »Nein, hör mir zu. Ich erzähle immer wieder, dass ich ein abenteuerliches Leben führen will. Meine Eltern haben sich das meine ganze Kindheit lang angehört, und jetzt tust du dasselbe, was ja sehr nett von dir ist. Aber dass ich selbstsüchtig denke, das sagt mir keiner. Als müsste ich alles bekommen, was ich mir in den Kopf setze. Dabei gibt es doch so viele Menschen, die schon glücklich sind, wenn sie überleben.«
    »Es ist nicht selbstsüchtig von dir, etwas aus deinem Leben machen zu wollen, Rebecca. Eine selbstsüchtige Frau hätte sich nie in Gefahr gebracht, indem sie Verbrecher aus London weglockte, um ihre Familie zu schützen.«
    »Du unterstellst mir zu hehre Motive«, beharrte sie. »Denn da war gleichzeitig das Gefühl, etwas ganz Großartiges zu erleben, wobei ich mir allerdings nie hätte träumen lassen, wie weit diese Männer wegen einer Halskette gehen würden.« Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
    »Nun ja, vermutlich warst du ein wenig naiv. Du willst immer nur das Gute im Menschen sehen. Ich dagegen verkörpere fast das Gegenteil und setze beinahe automatisch das Schlechte voraus, weil ich es so erlebt habe, besonders bei meinen Eltern.«
    »Julian …«
    »Nein, lass mich zu Ende reden. Ich habe mich nie wirklich in ihre Situation versetzt, sie nie zu verstehen versucht. Ich war wütend auf meinen Vater, weil er uns feige im Stich gelassen hat – wie ich dachte –, und wütend auf meine Mutter, weil sie so blind gegenüber der Wahrheit war und trotzdem immer mehr Kinder bekam, die sie nicht angemessen versorgen

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