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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Callen
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Rückkehr, doch er kam nicht.
    Sie schaute sich nach ihm um und sah seinen dunklen Umriss am Fenster stehen.
    »Julian?«
    »Ich glaube, ich habe etwas aus dem Haus gehört. Eines von den Kindern weint. Und es brennt Licht.«
    Sie stand auf und streifte sich das Unterkleid über. Julian brachte sie eine Decke mit und legte sie ihm um die Schultern.
    Er griff nach den Zipfeln, damit sie nicht wieder herunterrutschte, und lächelte sie etwas zerstreut an.
    Sie stand neben ihm und sah zu dem Licht hinunter, welches das Küchenfenster erhellte. »Hältst du das für ungewöhnlich? Sie haben viele Kinder.«
    »Aber keines davon wird mehr gestillt, sodass es keinen Grund zum Aufstehen gibt.« Er zögerte. »Ich habe ein schlechtes Gefühl. Stubbes hat mir gegenüber erwähnt, dass es Gerüchte über ein Fieber gibt, das in der Gegend grassiert. Und später hörte ich einen von den kleinen Jungen husten.«
    Sie nickte und spürte, dass Julian sie vorsichtig musterte. Die Information beunruhigte sie nicht. Sie hatte sich ständig Sorgen wegen irgendwelcher Krankheiten machen müssen und war gegen derartige Gedanken längst gefeit. Was geschehen sollte, würde geschehen. Sie konnte es nicht beeinflussen.
    Sie hielt sich am Fensterrahmen fest und dachte an die nette Bauernfamilie mit den vielen unschuldigen Kindern. »Wir sollten zu ihnen gehen.«
    Er sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Ich werde gehen.«
    »Wir gehen beide, Julian«, fügte sie hinzu, als er weitere Einwände erheben wollte. »Ich kann mich nicht vor dem Leben verstecken. In der Unterkunft in Manchester bin ich schließlich auch nicht krank geworden. Ich bin stärker als früher, gesünder. Mir wird nichts passieren. Und ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich diesen großzügigen Leuten nicht zumindest meine Hilfe anbieten würde.«
    Schnell zogen sie sich an und gingen im Dunkeln zum Haus hinüber. Als Julian klopfte, schaute Stubbes aus einem Seitenfenster und öffnete die Tür. Sein Hemd hing über der Hose, und er war barfuß.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Mr Stubbes«, sagte Julian, »aber wir haben das Licht bemerkt und …«
    Rebecca, die die Frau des Bauern mit einem Kind auf dem Arm neben dem Kamin sah, drängte sich an den beiden Männern vorbei. Mrs Stubbes sah auf. Das offene Haar hing ihr um die Schultern, und in ihren Augen lag ein Anflug von Furcht.
    Trotzdem rang sie sich ein Lächeln ab. »Entschuldigung, dass ich Sie gestört hab, Mrs Hill.«
    »Das haben Sie doch gar nicht«, erwiderte Rebecca und trat näher. »Ich konnte nur nicht schlafen.«
    Die Bäuerin hielt einen der Jungen auf dem Arm. Er mochte etwa sechs Jahre sein – ein Alter jedenfalls, in dem ein gesunder Junge sich bestimmt von seiner Mutter nie so halten lassen würde. Aber dieser kleine Kerl hing schlapp da, hustete schwach und hielt sich mit der Hand den Hals, denn er schien nur mühsam Luft zu bekommen.
    »Es fing ganz plötzlich an«, erklärte sie verunsichert. »Er hat schrecklich laut gehustet, der arme Kleine. Ich dacht schon …«
    »Ich kenne die Symptome«, sagte Rebecca. »Ich hatte das häufig als Kind.«
    Neu erwachte Hoffnung ließ die rot geränderten Augen der Frau plötzlich ganz groß werden. »Wissen Sie, was man da machen muss, Mrs Hill? Meine Mutter starb, da war ich noch ganz klein, und so hab ich von so was nix gelernt. Die anderen Kinder hatten das nie.«
    »Haben Sie Huflattich da?«, fragte Rebecca.
    Die Frau schüttelte den Kopf, während ihr Tränen in die Augen stiegen.
    Rebecca legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Schon gut. Was ist mit Thymian?«
    »Ja, im Kräutergarten! Oder lieber getrockneten?«
    »Frisch ist besser.« Rebecca drehte sich zu Stubbes um. »Könnten Sie uns ein paar Stängel holen? Die Wurzeln brauche ich nicht.«
    »Nimm Alice mit«, sagte Mrs Stubbes und bedeutete ihrer ältesten Tochter, vom Dachboden herunterzukommen. »Sie kennt sich aus mit Kräutern.«
    »Und wir bringen in der Zwischenzeit Wasser zum Kochen.« Rebecca füllte aus einem Krug Wasser in den Kessel und hängte ihn über das Feuer.
    Der Junge fing erneut an zu husten, aber noch schlimmer waren die pfeifenden Geräusche, die er von sich gab, wenn er zu atmen versuchte.
    »Beruhigen Sie ihn, so gut es geht«, murmelte Rebecca.
    Die Mutter wiegte ihn und sang ihm leise etwas vor.
    »Gibt es irgendetwas, was ich tun kann?«, fragte Julian hinter ihr.
    Rebecca drehte sich um und sah, dass er sie von der Tür her, wo er niemandem im Wege stand,

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