Ein verführerischer Akt
an sich, sodass ihr Busen bedeckt war.
»Julian?«, sagte sie und schaute über die Schulter.
Er strich mit einem Finger über ihren Rücken. »Ihre Haut ist vom Korsett aufgeschürft. Warum haben Sie das Ding letzte Nacht nicht ausgezogen?«
»Sie meinen, als ich Sie bat, mich zu küssen?«, fragte sie trocken.
»Es war dumm von Ihnen, ganz unnötigerweise zu leiden.«
»Julian …«
Überrascht merkte sie, dass er am Rand des Korsetts entlangstrich und dabei das Hemd weiter zur Seite schob.
»Es setzt sich unter Ihrem Arm fort«, sagte er. »Sie müssen baden und die Wunden säubern.«
Sie zuckte zusammen, als er sie zu sich heranzog, um ihr über die Schulter blicken zu können. Sein Kopf war so dicht neben ihrem, dass sein Haar sie streifte.
»Und vorne gehen die Abschürfung weiter«, stellte er fest.
Sie versuchte das Kleid über den Brüsten festzuhalten, doch er schob ihre Hand beiseite, um die Striemen und Druckstellen genauer in Augenschein zu nehmen. Schimmernd und verführerisch ruhte der kostbare Diamant auf ihrem nunmehr entblößten Dekolleté, aber er schenkte ihm zu ihrer Verwunderung keinen Blick.
»Julian …«
Sie wusste nicht mehr, was sie hatte sagen wollen, denn genau in diesem Moment schob er einen Finger in den Ausschnitt ihres Unterhemds und zog es vom Körper weg. Sie rief sich in Erinnerung, dass man in ihrem Ballkleid mehr von ihrem Busen gesehen hatte, doch solch sachliche Überlegungen bedeuteten in ihrem überhitzten Zustand nichts. Sie atmete zu schnell, spürte seine Gegenwart, seine Hände überall: an ihrem Rücken, über ihrer Schulter, an ihrem Busen.
Sie drückte das Kleid an sich und löste sich von ihm, wobei sie ihn über die Schulter anlächelte. »Das heilt schon wieder«, erklärte sie leicht zitternd. Sie durfte ihn nicht spüren lassen, welch verheerende Wirkung er auf sie ausübte. Wer weiß, vielleicht setzte er sie dann in den ersten Zug zurück nach London.
»Sie müssen ein Bad nehmen«, wiederholte er.
Seine Stimme, die gepresst klang, versetzte ihren Körper nur noch weiter in Aufruhr.
Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben keine Zeit«, erklärte sie. »Ich habe Seife und sauberen Stoff, das muss reichen. Drehen Sie sich um.«
»Verzeihung?«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Sie können nicht jedes Mal fluchtartig das Zimmer verlassen, wenn ich mich umziehe. Außerdem brauche ich Sie vielleicht beim Ankleiden. Oder wollen Sie, dass ich mich draußen in den Gang stelle, wenn Sie sich umziehen?«
»Brillante Logik.« Er kehrte ihr den Rücken zu.
»Sie könnten ja so lange aus dem Fenster schauen … Ich brauche nur ein paar Minuten.«
»Hervorragende Idee«, erwiderte er, ging zum Fenster und stützte sich mit den Armen auf die Fensterbank.
Schnell schälte sie sich aus ihrem verschmutzten, zerrissenen Kleid und aus dem gelockerten Korsett, stieg dann aus ihrer seidenen Unterhose und zog die neue an, die aus grobem Leinen bestand, aber wenigstens sauber war. Das Zimmermädchen hatte überrascht gewirkt, als sie nach diesen Utensilien gefragt hatte, denn auf dem Land war es zumeist unüblich, Unterhosen zu tragen. Für Rebecca eine sehr befremdliche Vorstellung.
Während sie die Kleidung wechselte, dachte sie sehnsuchtsvoll an ein schönes Bad, doch dafür blieb wirklich keine Zeit. Heute musste eine flüchtige Wäsche reichen. Vorsichtig betupfte sie die aufgeschürften Stellen und fragte sich, wie es wohl sein würde, auch hier Julians Hilfe zu erbitten. Bei dem Gedanken musste sie sich ein Lachen verkneifen.
»Ziehen Sie das Korsett nicht wieder an«, hörte sie Julian sagen.
Sie hatte gerade danach greifen wollen. »Warum …«, setzte sie zum Widerspruch an.
»Sie scheuern sich die Haut nur weiter auf. Stecken Sie es in die Tasche, wenn es unbedingt sein muss, nur ziehen Sie es bitte nicht an.«
Dass er es als Bitte formulierte, besänftigte sie. »Na gut.« Sie nahm das braune Kleid, und als sie vorne das Mieder zuschnürte, empfand sie es als Wohltat, nicht mehr so eingezwängt zu sein und ungehindert Luft holen zu können.
»Sie können sich wieder umdrehen.«
Er wandte sich um und musterte sie von oben bis unten. »Setzen Sie ein Häubchen auf, damit man Gesicht und Haare nicht sieht.«
Sie hielt eines hoch. »Bin ich so vorzeigbar? Sehe ich aus wie eine Angehörige der Arbeiterklasse oder wie ein Landmädchen?«
Er schaute sie skeptisch an. »Sie reden am besten so wenig wie möglich, genau wie ich«, erklärte er. »Selbst
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