Ein verführerischer Akt
Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, der ihn neugierig machte.
Sobald das Feuer gleichmäßig brannte, zog er sich bis auf die Unterhose aus und watete durchs Wasser zu ihr hin. Sie sah ihn an, und ihr Blick glitt über seine nackte Brust. Schnell ließ er sich bis zur Taille ins Wasser sinken und merkte, dass die Kälte der aufsteigenden Erregung, die ihr Anblick sogleich provoziert hatte, einen gewaltigen Dämpfer versetzte. Sie aber rubbelte bloß weiter, dieses Mal die Beine, als würde der Schmutz der ganzen Welt ihren Körper bedecken.
»Sachte«, sagte er. »Du reißt dir noch die Haut vom Leibe, wenn du so weitermachst.«
»Ich weiß nicht, ob ich je wieder das Gefühl haben werde, sauber zu sein«, murmelte sie.
In ihrer Stimme schwang ein Unterton mit, der ihn beunruhigte. Deshalb schob er sich, noch immer auf Knien, näher an sie heran.
»Rebecca?«, sagte er mit sanfter Stimme.
Sie schien ihn nicht zu hören, sondern machte einfach weiter, obwohl ihre Haut schon ganz rot war. »Der Gestank in diesem Haus, die traurigen Kinder, die nur Krankheit und Tod erwartet …«
»Sie werden nicht alle krank«, erwiderte er. Er merkte, wie nahe ihr das Erlebte ging. »Und einige führen vielleicht sogar einmal ein schönes Leben.«
Sie schloss die Augen und setzte sich ins Wasser, um sich den Oberkörper zu waschen. »Ich weiß, wie sie sich fühlen – so hilflos, so ohne Aussicht auf ein bisschen Glück, als würde nichts je besser werden. Und dann ist es so leicht, wütend zu werden.«
»Wütend worauf?«, fragte er sanft.
»Auf … Gott! Auf alles, was dich an deinen gebrechlichen Körper fesselt, während die ganze Zeit der Tod wie ein nächtlicher Dämon über dir schwebt. In seiner Kindheit sollte man spielen, forschen und staunen. Aber die Kinder dort haben überhaupt keine Kindheit.«
»Genau wie du keine hattest.«
Sie sah schon fast ärgerlich zu ihm auf. »Das stimmt nicht, zumindest nicht verglichen mit diesen armen Kindern in Manchester.«
»Aber du hast alles Recht, dich um etwas betrogen zu fühlen, was für deinen Bruder und deine Schwester selbstverständlich war: Gesundheit, Kraft und Freiheit.«
Er meinte zu sehen, dass ihre Unterlippe anfing zu zittern, doch dann biss sie mit den Zähnen darauf. »Es macht mir schon zu schaffen, wenn ich merke, wie sehr die Vergangenheit immer noch mein Leben beeinflusst.«
Mit einem Mal erkannte er, dass dies auch für ihn galt. »Denk daran: Wir lernen genauso aus der Vergangenheit. Sie kann uns ebenfalls in positiver Weise beeinflussen.«
Trotzdem runzelte sie weiter die Stirn. »Aber werden alle meine Entscheidungen von der Vergangenheit beeinflusst? Kann man so überhaupt leben?«
Sie wirkte schrecklich bekümmert, und unwillkürlich rückte er näher, nahm ihr Tuch und Seife ab und begann sie zu waschen.
»Lass es raus, Rebecca«, murmelte er.
Sanft wusch er ihre zarte Haut. Nase und Wangen waren von der Sonne bereits leicht gefärbt. Während die Grillen immer lauter zirpten, der Abend vom Gesang der Vögel erfüllt wurde und das Wasser sie umspülte, begann sie sich langsam unter seinen Berührungen zu entspannen. Schließlich neigte sie ihren Kopf vor, damit er sie am Hals, hinter den Ohren, auf Nacken und Schultern waschen konnte. Sie fühlte sich so zart und zerbrechlich an, doch er wusste, über wie viel Kraft sie tatsächlich verfügte. Sie besaß eine Stärke des Geistes, die ihr half, Krankheiten zu überwinden, bei denen andere unter Umständen aufgegeben hätten.
Und sie wies eine weitere wichtige Eigenschaft auf: Mut. Ehe er Rebecca kennenlernte, schien ihm das zumindest für eine Frau nicht sonderlich wichtig – inzwischen allerdings war er eines Besseren belehrt worden.
Als Nächstes wandte er sich ihrem Haar zu, zog die Nadeln heraus, reichte sie ihr, bis ihr nach und nach die langen braunen Locken auf die Schultern fielen. Sie ließ sich nach hinten sinken und stützte sich mit den Händen auf dem Grund des Flusses ab, wobei sie die Hand, die die Nadeln hielt, zur Faust ballte. Das lange Haar breitete sich im Wasser wie ein Heiligenschein aus, der ihren Kopf umfloss.
Sie hatte die Augen offen und sah ihn durchdringend an. Nachdem er den Waschlappen unter den Bund seiner Hose geschoben hatte, hielt er die Seife in der einen Hand und benetzte mit der anderen ihren Kopf. Ihr Haar fühlte sich sündhaft gut an, und er konnte sich nicht daran erinnern, dem jemals bei einer anderen Frau so viel Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.
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