Ein verführerischer Akt
aussetzen.
Keiner sagte etwas, als sie später ihr Lager vorbereiteten. Julian sammelte so viel Feuerholz wie möglich für den Fall, dass es in der Nacht sehr kalt wurde, während Rebecca ihre Kleidung im Fluss wusch. Die Dämmerung senkte sich herab, und die Grillen zirpten immer lauter. Eine Eule ließ ihren klagenden Ruf ertönen, doch Julian konnte an nichts von alldem Freude empfinden. Zu groß war seine Verärgerung.
Er war es gewöhnt, die Gefühle anderer Menschen zu manipulieren, bewahrte immer einen kühlen Kopf, traf logisch und ruhig Entscheidungen da, wo andere sich von ihren Emotionen leiten ließen.
Warum funktionierte das mit Rebecca nicht? Warum musste sie auf etwas beharren, das nicht gut für sie war? Er wollte ihr schließlich nur helfen, sie vor sich selbst zu schützen.
Wobei es natürlich eher die Frage war, ob sie nicht vor ihm geschützt werden musste. Als sie ihm diesen heißen Blick zuwarf, während sie sich zwischen den Schenkeln säuberte, hätte er sich am liebsten auf sie geworfen. Sogar als sie am Ufer hockte und die Kleidung wusch, war er von wilder Lust erfüllt gewesen. Diese neuen Empfindungen überwältigten und verwirrten ihn, und er fühlte sich bisweilen an das Verhalten der Urvölker erinnert, die nur ihren Trieben folgten.
Natürlich war er im Recht, dass es besser war, wenn es nicht zum Äußersten kam. Besser für sie. Warum konnte sie das nicht genauso sehen?
Sie breitete die Kleidung zum Trocknen über Büsche und Steine in der Nähe des Feuers aus, während er das gesammelte Holz auf einen Haufen warf und sich auf den Boden hockte. Sie setzte sich, sobald sie mit ihrer Arbeit fertig war, demonstrativ ihm gegenüber auf die andere Seite des Feuers, statt neben ihm Platz zu nehmen. Insgeheim musste er lächeln, aber er wollte sie noch ein wenig schmoren lassen.
Schweigend wickelte er die Fleischpasteten aus, die er am Nachmittag gekauft hatte, und reichte ihr eine über das Feuer hinweg.
»Danke«, sagte sie kühl.
Sie aßen schweigend, während sie abwechselnd aus einer Flasche Cider tranken.
»Hast du irgendwann einmal im Freien geschlafen?«, fragte er schließlich und rechnete damit, dass sie keine Antwort geben würde.
»Nein.«
»Ich schon, als ich jünger war. Ich bin mehrmals mit den Schafhirten unterwegs gewesen, wenn sie die Herden auf andere Weiden trieben. Wenn die Lämmer geboren werden, muss ein Hirte die ganze Zeit in der Nähe bleiben, damit keines verloren geht.«
»Hm.« Sie schaute ihn nicht an.
Er streckte sich im Gras aus und deckte sich mit einem trockenen Hemd zu.
»Ich schlafe auf dieser Seite«, erklärte sie.
»In Ordnung.«
»Ich will schließlich deine Tugend nicht in Gefahr bringen.«
Er grinste, und an ihrer finsteren Miene konnte er ablesen, dass ihr seine Reaktion nicht gefiel. Sie stolzierte auf ihre Seite und zog sich ein weiteres Kleid über die Schultern.
Plötzlich schien es ihm ewig her zu sein, dass er geschlafen hatte, ohne ihre Nähe zu spüren, aber das war ein dummer Gedanke. Bald würde er sowieso wieder alleine schlafen müssen, sobald dies hier vorbei war und der normale Alltag wieder begann – die Arbeit auf den Gütern, seine verschiedenen geschäftlichen Engagements und die Suche nach der perfekten Ehefrau. Er stutzte, denn mit einem Mal empfand er bei diesem Gedanken nichts als Langeweile und Widerwillen. Welch ödes Leben im Vergleich zu dem Abenteuer, mit Rebecca Leland auf der Flucht zu sein und im Freien zu übernachten.
Die Sonne war inzwischen endgültig untergegangen, und die nächtlichen Geräusche verstärkten sich. Die Schreie der Eulen, das Blöken der Schafe, das Zirpen der Grillen und das Quaken der Frösche. Und plötzlich aus dem Unterholz am Ufer ein Kläffen, das nicht dazupasste.
Rebecca schoss hoch. »Was war das?«
»Ich weiß nicht. Es könnte ein Fuchs gewesen sein … oder ein verwilderter Hund.«
»Ein verwilderter Hund?« Ihre Augen glitzerten, als sie sich umschaute. Sie verscheuchte Insekten, die um ihren Kopf schwirrten.
Dann ein knurrendes Grunzen, das er einem Dachs zuordnete, doch Rebecca war jetzt verängstigt, kam auf seine Seite herüber, um sich zwischen ihn und das Feuer zu legen, allerdings mit einem kleinen Abstand. Zwanzig Zentimeter vielleicht, schätzte Julian und grinste.
Nach kurzem Schlaf erwachte er. Der Boden war kalt und feucht. Julian fror, zumal Rebecca den größten Teil der Wärme, die das Feuer abstrahlte, abfing, während ihn von hinten nichts
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