Ein verführerischer Akt
du musst das zugeben.«
Er grummelte irgendetwas Unverständliches.
»Und richte dich schon darauf ein, Julian. Heute Abend werde ich wieder arbeiten.«
Er erstarrte. »Wie bitte?«
»Das arme Mädchen muss sich noch länger ausruhen – ich habe bereits zugesagt. Du kannst mich nicht davon abbringen. Wir werden also noch einen Tag länger bleiben.«
»Rebecca, das schickt sich nicht und ist zudem gefährlich.«
»Da bin ich völlig anderer Meinung.«
Er öffnete schon den Mund, um weitere Einwände vorzubringen, ließ es dann aber. Inzwischen wusste er, dass es wenig Sinn machte, ihr etwas verbieten zu wollen. Außerdem musste er daran denken, dass sein Bestreben, Rebecca auf Schritt und Tritt zu beschützen, übertrieben war. Nicht anders als bei seinem Vater, der seine Mutter an jeder Eigeninitiative gehindert und alles von ihr ferngehalten hatte. Mit ein Grund, weshalb sie die finanziellen Probleme nicht erkannte und ihnen hilflos gegenüberstand. Schon für seine Schulausbildung reichte das Geld nicht, und trotzdem setzten seine Eltern weiter Kinder in die Welt. Auch so eine Sache, die er seinem Vater im Geheimen vorwarf.
Er durfte nicht die gleichen Fehler begehen, und mochte der Wunsch, sie zu beschützen, noch so stark sein. Er stieß einen Seufzer aus. »Na gut, halt dich an deine Zusage. Allerdings werde ich die ganze Zeit in deiner Nähe sein.«
Sie machte große Augen vor Überraschung, dass er kampflos fast nachgab. »Danke, Julian. Ich bin froh, dass du so verständnisvoll bist. Jetzt lass uns frühstücken.«
Er fasste ihren Arm, ehe sie sich abwenden konnte. »Das ist das letzte Mal, dass du etwas machst, ohne es erst mit mir zu besprechen.«
»Ich würde liebend gerne alles mit dir besprechen, Julian, wenn du nur nicht so festgefahren wärst in deinen Gewohnheiten.«
Fassungslos spreizte er die Hände. »Das nennst du festgefahren?«
»Dir geht es letztlich bloß um die Wiederherstellung der Familienehre, und das weißt du genau. Dieses Ziel ist dir wichtiger als alles andere.«
»Stimmt nicht«, erwiderte er. Du bist mir wichtig, wollte er hinzufügen, doch er sprach die Worte nicht aus. Gemeinsam setzten sie sich an den Tisch und frühstückten.
Kapitel 18
Sie verbrachten den Rest des Vormittags und den frühen Nachmittag in ihrem Zimmer. Rebecca hätte zu gerne das Dorf erkundet, verstand indes Julians Bedenken. Sie sollten sich nicht öfter sehen lassen als unbedingt notwendig.
Mehrere Stunden lang hatte sie sich mit ihrer Kleidung beschäftigt, gereinigt und ausgebessert, nachdem sie sich Nähzeug von der dankbaren Magd ausgeliehen hatte. Doch während ihrer Arbeit glitt Rebeccas Blick immer wieder zu Julians breitem Rücken. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie so viel Zeit mit einem Mann verbracht, mit dem sie nicht verwandt war. Jetzt wusste sie, warum besorgte Mütter und Verwandte das verboten – es brachte einen auf sündhafte Ideen. Die ganze Zeit dachte sie darüber nach, was sie in einem Zimmer tun konnten, in dem ein Bett stand.
Aber er war so stur und wehrte sich gegen die Versuchung. Er wollte sie in die Welt der Lust einführen, begehrte sie und weigerte sich dennoch, bis zum Ende mitzugehen. Sein rigoroser Ehrenkodex, an den er glaubte und der ihm geholfen hatte, Krisen zu überstehen, an denen anderen zerbrochen wären, hinderte ihn daran. Ausgesprochen schade, dachte sie und konnte trotzdem ihre Bewunderung für seine strenge Selbstdisziplin nicht verhehlen. Was allerdings nicht bedeutete, dass sie sich geschlagen gab. Nein, sie würde weiterhin versuchen, ihn zu bekehren.
Als sie am späten Nachmittag nach unten ging, um mit der Arbeit zu beginnen, folgte er ihr. Damit er auf sie aufpassen konnte natürlich, und in der Tat schreckte allein seine Größe allzu forsche Gäste ab. Seine finstere Miene besorgte den Rest. Gegen diese Art von Schutz hatte Rebecca nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Seine Anwesenheit verlieh ihr ein Gefühl der Sicherheit. Wenn er es nur manchmal nicht so übertreiben würde, dachte sie.
Jetzt aber war seine Umsicht mehr als sinnvoll. Sorgfältig inspizierte er den Schankraum sowie das angrenzende Zimmer, in dem Bier- und Weinfässer lagerten und wo an Haken geräucherte Schinken und getrocknete Kräuter von der Decke hingen. Sie lächelte, als sie sah, wie er den Kopf einziehen musste, um ihnen auszuweichen. Nachdem ihm nichts Verdächtiges aufgefallen war, setzte er sich an einen Tisch an der Wand, der ihm einen guten
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