Ein verfuehrerischer Handel
Fäusten.
»Wie kann er es wagen!« Bittere Wut stieg in ihr auf. Wie kann er es wagen! Sie wirbelte herum zu dem Schreibtisch in der Ecke des Raumes. Es dauerte eine Weile, bis sie sich genügend beruhigt hatte, um die Feder aus dem Halter zu nehmen und sie in das Tintenfass zu tauchen. Selbst dann fielen noch einige Tropfen Tinte auf das Papier.
»Liebster Phillip«, begann sie, dann runzelte sie die Stirn und strich die Worte schnell wieder aus. Sie zerknüllte den Bogen, warf ihn weg und griff nach einem neuen Blatt. »Mein Liebling, Phillip ...« In dem Brief beschrieb sie den Zusammenstoß mit ihrem Bruder, wie Justin sie beschimpft und damit gedroht hatte, sie aus dem Haus zu werfen - aus einem Haus, das rechtmäßig ihrem Sohn gehörte! Sie verströmte all das Gift, das sich in ihr angesammelt hatte; denn er war der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der Mitleid mit ihr haben würde.
Sie sagte ihm, dass es an der Zeit war, ihren Plan in die Tat umzusetzen.
Die Lady unterschrieb mit: »All meine Liebe gehört dir, Barbara«, versiegelte den Brief mit Wachs und läutete nach einem Lakai, der es übernehmen sollte, den Brief zuzustellen. Ihre Hände zitterten jetzt nicht mehr. Die Wut brodelte nur noch leicht unter der Oberfläche. Justin meinte vielleicht, dass er gewonnen hatte, und sie würde ihn momentan auch in diesem Glauben lassen. Aber nicht lange. Oh, nein, nicht mehr lange!
Der Einsatz war hoch, das Risiko groß, aber das Spiel würde bald vorüber sein.
Barbara hegte nicht den leisesten Zweifel, dass am Ende sie als Gewinnerin daraus hervorging.
Das Wetter klarte ein wenig auf. Die ersten Strahlen der Morgensonne erreichten den Horizont; die frische, kalte Luft verwandelte seinen Atem in Dampf, als Justin zum Stall ging. Ein junger Stallknecht mit Namen Michael O’Flaherty trat ihm entgegen; sehr schnell hatte er sich an die Eigenart seines Herrn gewöhnt, schon so früh am Morgen unterwegs zu sein.
Jeden Tag bei Sonnenaufgang stand Justin auf und ritt über die Hügel seines Besitzes - wobei er erst allmählich begriff, dass das alles wirklich ihm gehörte. Bis zu seiner Ankunft hier mit Ariel hatten die Schatten seiner heiklen Geburt ihn von hier fern gehalten. Greville Hall war der Stolz und die Freude seines Vaters gewesen, ein Monument seines Reichtums und guten Geschmacks. Der Graf hatte das Haus zu einem Ausstellungsstück gemacht. Und da seine Tochter hier lebte, hatte er auch die meiste Zeit hier verbracht.
Früher hatte für Justin das wunderschöne Herrenhaus aus Stein, das sich in das grüne Tal in Surrey schmiegte, all das verkörpert, was seinem Vater lieb und teuer war - alles, was sein Sohn ablehnte.
Justins Mutter, die Tochter eines Landedelmannes namens William Bedford, hatte eine Zeit lang nicht weit von hier gewohnt. Als Junge war Justin stundenlang über die Felder ringsum gestreift und hatte mit einem Gefühl des
Verlustes das Kommen und Gehen eines Vaters beobachtet, der sich weigerte, ihn anzuerkennen.
Obwohl das Haus mittlerweile ihm gehörte, und zwar bereits seit einigen Jahren, waren die damit verbundenen Erinnerungen noch immer sehr schmerzlich gewesen.
Jetzt stellte er fest, dass sie ihn nicht mehr quälten.
Er atmete tief die frische Morgenluft ein, dann stieß er dem eleganten kastanienbraunen Jagdpferd, das Michael für ihn gesattelt hatte, leicht die Fersen in die Seiten. Das Tier war schlank und muskulös, und reagierte sofort auf seine Befehle. Der alte Graf war ein Kenner gewesen, es zeigte sich in den Tieren seines Stalles aus hervorragenden Züchtungen.
In meinem Stall, korrigierte Justin sich. Das wundervolle Ross gehörte jetzt ihm. Es sollte nicht schwer fallen, sich das immer vor Augen zu halten.
Er trieb das Pferd zu einem leichten Galopp an und ritt den Hügel hinunter. Eine kleine Ansammlung von Bäumen stand in einiger Entfernung neben dem Weg. Beinahe jeden Morgen ritt er dieselbe Strecke, durch den Wald und erst auf der anderen Seite in verschiedene Richtungen - er lernte das Land kennen, das ihm gehörte. An sich wäre das schon längst fällig gewesen, und er gestand sich ein, dass er es wohl getan hätte, wenn Barbara nicht hier wohnen würde.
Aber deren Gehässigkeit konnte ihm nun nichts mehr anhaben; ganz langsam verschwanden die Schatten, die schmerzlichen Erinnerungen verblassten und wurden ersetzt von neuen, süßen Ereignissen, die ihm jetzt widerfuhren - seine Tage und Nächte mit Ariel.
Seit alle Missverständnisse
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