Ein verfuehrerischer Handel
erklärte er mit ausdrucksloser Miene. »Sie kommt nicht sehr oft in die Stadt; doch offensichtlich werden wir eine Weile das Vergnügen ihrer Anwesenheit genießen.«
Ariel nickte nur. Er bemerkte, dass sie ganz blass geworden war. Es lag etwas in ihrem Gesichtsausdruck, eine Unsicherheit, Verletzlichkeit sogar - etwas, das er noch nicht an ihr erlebt hatte. Es erinnerte ihn daran, dass sie eine Lady war - nicht von Geburt an, sondern aus reiner Willenskraft. An der Oberfläche sah sie genauso elegant aus wie jede andere Dame der Gesellschaft. Sie besaß eine untadelige Erscheinung, doch war sie nicht als Lady auf die Welt gekommen. Etwas, das für sie offensichtlich schwerer wog als für ihn.
»Wenn Ihr Euch wegen meiner Schwester Sorgen macht, lasst das getrost sein. Ihre Meinung hat keinerlei Bedeutung.«
»Für mich schon«, widersprach sie leise.
»Nun ja, früher oder später werdet Ihr sie kennen lernen müssen. Dann können wir das auch jetzt gleich erledigen.« Justin reichte ihr den Arm, und Ariel nahm ihn, ließ sich von ihm durch den Flur in den Roten Salon führen, in dem Barbara sich in den Kissen zurücklehnte wie eine Königin, die bereit ist, Hof zu halten.
»Nun, wenn das nicht mein geliebter Bruder ist!«
»Ich würde sagen, willkommen in meinem bescheidenen Heim - aber ich sehe, dass du dich bereits eingerichtet hast.« Mit ihrem glänzenden schwarzen Haar, den blassgrauen Augen und der makellosen Haut war sie wunderschön - das konnte niemand leugnen. Warum sie überhaupt einen so alten Tattergreis wie Nigel Townsend geheiratet hatte, wo sie sich jeden Mann der Oberklasse hätte aussuchen können, war Justin ein Rätsel. Aber Barbara hatte immer großen Wert auf Unabhängigkeit gelegt. Bis auf den Umstand, dass sie die Kontrolle über den Reichtum ihres Mannes verloren hatte, waren die Dinge für sie vielleicht genau nach Plan verlaufen.
Sie zog eine feine schwarze Braue hoch, als sie Ariel erblickte, die noch immer Justins Arm umklammerte. Als Ariel bemerkte, was sie tat, stieg ihr eine heiße Röte in die Wangen. Hastig trat sie einen Schritt zurück.
»Lady Haywood, darf ich dir Miss Ariel Summers vorstellen!« Er schenkte seiner Schwester ein spöttisches Lächeln. »Ariel war das ... Mündel unseres lieben verstorbenen Vaters.«
»Vater hatte ein Mündel?« Sie lachte ein tiefes, kehliges Lachen. »Ich dachte, die einzigen jungen Frauen, für die er sich interessierte, wären seine Dirnen gewesen.«
Ariels Gesicht lief noch roter an.
»Miss Summers wohnt zurzeit hier im Haus. Ich hoffe, du wirst ihr das Gefühl lassen, willkommen zu sein.«
Der Blick aus Barbaras scharfen grauen Augen wanderte zu Ariels Gesicht, sie betrachtete die klaren Linien und zarten Züge, das herrliche, flachsfarbene Haar. »Ihr wohnt hier?«
»Das ist richtig«, antwortete Justin, noch ehe Ariel die Möglichkeit hatte, etwas zu sagen.
»Aber wie ist das möglich? Wer vertritt denn die Stelle der Anstandsdame?«
Er bedachte sie mit einem boshaften Lächeln. »Wenn du besorgt bist um den Anstand - warum übernimmst dann nicht du diese Stelle, so lange du bei uns weilst?«
Barbara stand auf, ihre Augen zogen sich in plötzlichem Verständnis zusammen, ein kaltes Lächeln lag auf ihren Lippen. »Sie war mit dir in Cadamon, nicht wahr? Das Mädchen ist nicht Vaters Mündel, sie ist es nie gewesen! Du bringst deine Geliebten her und besitzt dann auch noch die Stirn, mich zu bitten, als Anstandsdame zu fungieren?«
»Wofür du dich entscheidest oder nicht, macht für mich wenig Unterschied.«
»Ich bin nicht seine Geliebte«, verteidigte Ariel sich, die endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte.
»Ihr lügt«, widersprach Barbara.
»Ich sage die Wahrheit.«
»Aber was, um Himmels willen, tut Ihr dann hier?«
»Ich ... ich ... ich helfe Lord Greville bei seinen Geschäftsbüchern. Er ... er braucht jemanden, der es übernimmt die Beträge auszurechnen - und ich habe ein Talent für Zahlen.«
Die Besucherin warf ihrem Bruder einen ungläubigen Blick zu.
»Bitte sie, elf mal sechsunddreißig zu rechnen!«
»Das sind dreihundertneunundsechzig«, antwortete Ariel schnell, noch ehe Barbara den Mund öffnen konnte.
»Siehst du? Miss Summers Hilfe ist unschätzbar für mich.«
Eindeutig beharrte seine Schwester auf ihren Zweifeln, doch Justin langweilte es langsam, sie zerstreuen zu müssen. »Wie lange wirst du bleiben?«, fragte er, um das Thema zu wechseln.
Lady Haywood bedachte ihn mit einem
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